Digital Health – Vom Praktischen zum Visionären
Am 17. Mai führte der Verein Praevenire seinen Digital Health Workshop zum dritten Mal als partizipative Veranstaltung durch – mit über 40 Expert*innen und Stakeholder-Vertreter*innen. Dieses Jahr wurde fast noch engagierter als sonst diskutierten, denn die Freude war gross, sich endlich wieder einmal persönlich austauschen zu können.
Der Workshop begann mit einer intensiven Auseinandersetzung mit den neuen Blended Care Konzepten, insbesondere rund um die Frage, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit Blended Care umgesetzt werden kann und breit angenommen wird. Denn tatsächlich zeigt sich, dass das Potential von Blended Care viel umfassender ist, als man spontan annehmen würde. Die Integration von telemedizinischen Elementen, Apps, IoT-basierten Datenmessungen und der Online-Zuschaltung von Spezialist*innen in die konventionelle medizinische Versorgung bietet vielfältige Verbesserungen für die Patient*innen. Bislang wird aber erst ein Bruchteil dieser Innovationen überhaupt nur angedacht. Die Expert*innen waren sich einig, dass eine verbesserte Aus- und Weiterbildung wie ein Vertrauen stiftendes Qualitätsmanagement Grundvoraussetzungen sind, um mehr Blended Care zu ermöglichen. Klar wurde aber auch, dass bislang ein Überblick über die zahlreichen Innovationsmöglichkeiten fehlt.
Policy Paper von BFH und Technikum Wien
Anschliessend wurde der Ausbau der Nutzung des digitalen Patientendossiers diskutiert, teilweise mit grossem emotionalen Engagement der Teilnehmenden. Derzeit gibt es noch viel Unwissen und viele Fehlinformationen, ergänzt um grundsätzliche Missverständnisse in Bezug auf die Unterscheidung zwischen Infrastrukturdiensten und darauf aufsetzenden spezifischen digitalen Diensten. Ein gemeinsames Policy Paper von Technikum Wien und der Berner Fachhochschule, derzeit als Draft vorliegend, schafft hier mehr Klarheit, wird aber auf der Basis der Workshop-Ergebnisse überarbeitet werden. Digitale Daten sind für Forschung und Behandlung so zentral, dass die Ablehnung oder Nicht-Nutzung von Patientendossiers schlicht unverständlich ist. Umso dringlicher ist es, Wissen und Verständnis einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln.
Den Höhepunkt der Veranstaltung stellten die Vorträge zu Künstlicher Intelligenz und die anschliessende Diskussion dar. Prof. Joachim Buhmann (ETH Zürich) stellte Erfolge und Herausforderungen der Grundlagenforschung dar, Prof. Richard Greil (Paracelsus Medizinische Privatuniversität) vermittelte die Notwendigkeit der Nutzung von Künstlicher Intelligenz in der Onkologie und Dietmar Maierhofer (Philips Austria) erläuterte die technischen Herausforderungen bei der Umsetzung. Eine zentrale Frage war, wie Qualitätssicherung realisiert werden kann, wo Maschinen Daten verarbeiten, die für Menschen nicht kognitiv bewältigbar sind. Eine andere zentrale Frage war, welche ethischen Anforderungen es gibt und wie man mit dem virulenten Misstrauen in der Gesellschaft umgeht.
Was Digital Health wirklich behindert
Abschliessend wurden – wieder mit engagierter Teilnahme aller Anwesenden – analysiert, welche Mythen die Umsetzung von Digital Health behindern, und Vorschläge gemeinsam entwickelt, wie man die Aufklärung gestalten kann, damit Ängste abgebaut werden können. Dabei wurde von den Expert*innen betont, dass die Mythen einen wahren Kern haben und dass die Art der Kommunikation wesentlichen Einfluss auf die Zukunftsgestaltung hat. Digital Health ist nicht nur eine Frage von Medizin und Technik, Digital Health ist auch eine Frage der Kommunikation.
Über den Praevenire-Workshop
Der Workshop wurde vom BFH-Zentrum Digital Society konzipiert und fand hybrid statt. Offline traf man sich im Stift Seitenstetten in Niederösterreich, viele Teilnehmenden aus der Schweiz waren aber online zugeschaltet. Neu war diesmal, dass vier Masterstudierende der BFH die Gelegenheit bekamen, teilzunehmen, damit das Community-Engagement der BFH-Forschenden auch der Ausbildung zugutekommt. Die Ergebnisse werden also nicht nur in die nächste Version des Praevenire Weissbuchs Gesundheit 2030 einfliessen, sondern auch in Arbeiten von Studierenden.
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