BIMwood und DeepWood im Holzbau – 2 Pionierprojekte der BFH und der HSLU

Vor Gärtchendenken sind selbst Fachhochschulen nicht gefeit. Denn jede will die beste sein. Der Aktionsplan Digitale Schweiz 2018 fordert jedoch, die Planung von Gebäuden der öffentlichen Hand und bundesnaher Betriebe müsse ab 2021 mit digitalen Kollaborationsmethoden durchgeführt werden. Für alle Beteiligten heisst dies: zusammenrücken! BIM ist dabei ein Muss. Dr. Sonja Geier von der Hochschule Luzern und Professor Thomas Rohner von der Berner Fachhochschule lancierten dazu zwei gemeinsame Forschungsinitiativen: BIMwood – BIM-basierte Planung im Holzbau und DeepWood – Disruptiv Evolving Engineering and Planning in Wood mit dem klaren Ziel, Kooperationen und Synergien vor Konkurrenz zu setzen.

Mit diesen Vorgaben des Bundes ist für Planende und Unternehmen die Umstellung auf Building Information Modeling (BIM) ab 2021 eine Verpflichtung, will man auf Aufträge in diesem Sektor nicht verzichten. Dies ist ein Vorhaben, das problemlos scheint, wenn man veröffentlichten Erfolgsberichten von Pilotpro­jekten Glauben schenkt. BIM ist mittlerweile fixer Bestandteil in Marketing und Berichterstattung, vor allem, wenn Innovation vermittelt werden soll. BIM ist nicht ein neues Werkzeug, BIM ist eine neue Methode. Mit BIM bricht ein neues Zeitalter in der Planungskultur an.

BIM bietet die Chance die Industrialisierung der Baubranche voranzubringen, den industrialisierten Holzbau als Zukunftstechnologie und Schlüssel zum klimagerechten Bauen zu stärken. Denn: der Holzbau ist BIM­ready und seit Jahren mit digitalen Planungs- und Produktionsprozessen vertraut. Die Herausforderung liegt weniger auf der (Software­)technischen Seite als in der Zusammenarbeit der Disziplinen und der dazu notwendigen strukturellen Grundlagen.

Jeder plant und kämpft für sich

BIM als methodischer Aufbruch zu einem neuen Planungsverständnis stellt die bisherigen Routinen in Frage. Eine dieser Routinen ist das disziplinäre Denken und Planen, die nach den Spielregeln des gewinnorientierten Marktes und der Gesetze mitunter weniger schöne Bilder liefert: Projekte sind weniger die Realisierung eines Bauherrnwunsches oder die zielorientierte gemeinschaftliche Entwicklung von Lösungen, sondern die «Schlachtfelder» im zunehmenden Wettbewerb am Markt. Jeder plant und kämpft für sich. Ordnungsstrukturen, Schnittstellen und abgesprochene Formate werden oft als notwendiges Übel angesehen. Wir laufen Gefahr, dass wir im Datenmüll ertrinken, weil das Planungsteam sich nicht abspricht. Ein grundlegender Kulturwandel hin zur tatsächlichen interdisziplinären Zusammenarbeit im Planen und Bauen wird notwendig sein.

Abb. 1: Überblick möglicher disziplinenskalarer Prioritäten.

Konkurrenz am Bildungsmarkt

Planende und Unternehmen müssen sich zu oft dieser Herausforderung stellen, aber auch Hochschulen bleiben durch die Konkurrenz am Bildungsmarkt nicht verschont. Dies ist ein Fakt, der im ersten Blick wenig bedeutungsvoll für den Aufbruch und Kulturwandel in der Branche scheint. In der Umstellung auf BIM blicken die Akteurinnen und Akteure in der Baupraxis zu den Interessensverbänden und zu den Hochschulen, denn es gilt die Grundlagen für die Anwendung der BIM­Methode aufzubauen, auszuarbeiten, auf Anwendungsfälle herunter zu brechen, für Kommunikation und Anwendung aufzubereiten und für die Praxis bereitzustellen.

Dieser Motor für BIM läuft auf Hochtouren – jeder ist bemüht, dabei seinen Beitrag zu leisten und Dokumente und Richtlinien zu publizieren. Noch ist es zu früh, Heureka auszurufen und ein Ende der zertretenen rosaroten Brillen ist, wenn man Berichte aus der Praxis verfolgt, nicht in Sicht.

Im Gesundheitswesen ist man sich der Notwendigkeit der interprofessionellen Kollaboration bewusst. Bei chronisch oder mehrfach erkrankten Personen sind die Zuständigkeiten und die Kompetenzen geregelt, der Behandlungslead definiert. Alle leisten aus ihrer Profession den bestmöglichen Beitrag für die umfassende oder bestmögliche Lösung zum Gesundungsprozess.

Gemeinsame Forschungsinitiativen der HSLU und der BFH

Das Potenzial einer solchen Zusammenarbeit haben Frau Dr. Sonja Geier der Hochschule Luzern HSLU und Prof. Thomas Rohner von der Berner Fachhochschule BFH in Biel erkannt und lancierten zum Thema BIM zwei gemeinsame Forschungsinitiativen:

  • BIMwood – BIM­basierte Planung im Holzbau
  • DeepWood – Disruptiv Evolving Engineering and Planning in Wood

Mit der Idee der Interprofessionalität sollen in beiden Projekten Synergien im fachlich­wissenschaftlichen und im personellen Bereich genutzt werden, um der grossen Herausforderung der Branche zu begegnen. Kompetenzorientierung statt Konkurrenzdenken ist dabei die Devise.

Synergien statt Konkurrenz

Wie uns die Geschichte lehrt, passieren und basieren Revolutionen selten durch Papier und Normen «Top­Down». Eine tiefgreifende Veränderung von Werten, Denken und Handeln kann ohne eine Bottom­up­Bewegung nicht stattfinden. Fordert man interdisziplinäre Kollaboration in der Planungs­ und Baupraxis darf die interprofessionelle Zusammenarbeit der Forschungseinrichtungen nicht isoliert in Hallen der Forschung stattfinden. Die notwendige Revolution zu einem neuen Planungsverständnis muss mit den Akteurinnen und Akteuren gemeinsam ausgelöst werden.

Disziplinen­ und unternehmensübergreifend, im Dialog zwischen Forschung und Praxis gilt es, der neuen Herausforderung entgegenzutreten. Dabei sind neue Techniken und Richtungen zu identifizieren und zu erproben. Träge Forschungs­Supertanker sind für diese Aufgabenstellung weniger geeignet. Es braucht wendige und gewiefte Pioniereinheiten, die unterschiedliche Lösungspfade erkunden.

Mit BIMwood und DeepWood konnten die beiden Hochschulen HSLU und BFH zwei sich ergänzende statt konkurrierende Pioniereinheiten ins Leben rufen. Gemeinsames, übergeordnetes Ziel ist es, im industrialisierten Holzbau die Chancen der BIM­Methoden nutzen zu können. Die Herangehensweise und Philosophien der beiden Projekte können nicht kontrastreicher sein:

Die Hochschulen sind verpflichtet eine Rolle in der Forschung zu leisten, wie auch eine Schlüsselposition in der Ausbildung einzunehmen: Sie sind als Bildungsstätten aufgefordert, die Generationen der zukünftigen Akteurinnen und Akteure auszubilden. Dies betrifft das Angebot an Ausbildungen in Bachelor und Master. Die Integration neuer Technologien in die Wissensvermittlung ist dabei die eine Seite der Medaille.

Abb. 2: BIM-Maturity Modell. Die Zeitachse zeigt, dass mit 2020 ff die Zeit für BIM Level 3 anbrechen wird, doch sind die strukturellen Grundlagen für die Baupraxis schon geschaffen.

Die andere ebenso wichtige Seite sind die «weichen» Faktoren. Dazu zählt der Bezug zu den Generationen Y und Z und deren Bedürfnissen als «Bildungsnomaden» in einer hoch vernetzten Wissenswelt. Dazu zählt auch die Vorbildwirkung. Der gesunde Wettbewerb ist zwischen den Planenden und Unternehmen wichtig. Der Wettbewerb um Studierende und auch um Forschungsgelder unterstützt Excellence der Universitäten und Fachhochschulen.

Spitzenresultate des Bildungs­- und Forschungsstandortes Schweiz basieren aber auch auf dem Erkennen und Nutzen von Synergien und der Bündelung von Kräften. Die Herausforderung ist es, die Akteurinnen und Akteure in der Praxis von BIM im industrialisierten Holzbau für zukünftige Spitzenleistungen zu unterstützen: «Wenn in einem Team jeder das tut, was er exzellent kann, dann sind Spitzenresultate zu erwarten» (Thomas Rohner).


BIMwood

Das Projekt BIMwood nimmt Bezug auf ein erfolgreiches Planungsprinzip aus dem Produktdesign der Achtzigerjahre, dem in der Baubranche erst in den letzten Jahren langsam Beachtung geschenkt wird: DfMA – Design für Manufacturing and Assembly. Das Projektteam von BIMwood leitet aus dem DfMA­Planungsprinzip eine Neustrukturierung der Prozessstruktur ab. Es gilt Fertigung, Logistik und Montage in frühen Entwurfsphasen zu berücksichtigen und die Modellierung und Strukturen für eine verlustfreie Übergabe in die Fertigung auszurichten. Die grossen Herausforderungen sind dabei die Entscheidungsmoderation, Änderungsmanagement und der Umgang mit Entscheidungsfreiräumen.

In der Steuerung des Prozesses sind Architektur, Kosten und Nachhaltigkeit die fokussierten Kriterien der Performance. BIMwood setzt auf die Revolution von Methoden, Prozessen, Strategien und Kultur in einem openBIM­Ansatz.

BIMwood Umsetzungsteam:
– schaerholzbau AG
– GKS Architekten Generalplaner AG
– Pirmin Jung Schweiz AG
– Design­to­Production GmbH
– Wirkungsgrad Ingenieure AG


DeepWood

Das Projekt DeepWood nimmt Bezug auf die zukünftige Weiterentwicklung des BIM Reifegrades Level 2 auf 3 und stellt sich der Herausforderung wie eine Zusammenarbeit mehrerer User gleichzeitig in einem gemeinsamen Modell realisiert werden kann. DeepWood nutzt dafür eine Industrie­ Plattform und deren Strukturen exemplarisch, um in einem Living Lab neue Strukturen für eine zukünftige echtzeitbasierte, unternehmensübergreifende und kollaborative Planung im Holzbau entwickelt & zu testen.

In einem closedBIM­Ansatz wird dabei der «Lärm» der Schnittstellenprobleme aktueller BIM­Projekte ausgeschalten. Disruptiv bedeutet dabei die vollständige Lösung von bisherigen Normen. In einem «weissen» Raum konzentriert sich das Team auf die Frage: wie wollen wir zukünftig zusammenarbeiten?

DeepWood Umsetzungsteam:
– Timbatec Holzbauingenieure Schweiz AG
– Dassault Systemes (Suisse) AG,
– Helbling PLM Solutions
– Stuber & Cie AG


Anmerkung: BIMwood und DeepWood werden durch die Innosuisse mitfinanziert. Dieser Beitrag ist zuerst in der Schweizer Holzrevue 4/5 –2020 erschienen.

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AUTHOR: Sonja Geier

Dr. Sonja Geier ist Architektin und leitet seit 2018 stellvertretend das CC Typologie & Planung in Architektur (CCTP) an der Hochschule Luzern.

AUTHOR: Thomas Rohner

Thomas Rohner ist Professor für Holzbau und BIM an der BFH Architektur, Holz und Bau. Er forscht und lehrt am Institut für digitale Bau- und Holzwirtschaft (IdBH). Unter seiner Leitung wurden die Hilfsmittel für digitales Bauen innerhalb der Initiative Wald & Holz 4.0 (www.wh40.ch) entwickelt.

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