Nachhaltige Digitalisierung – neue Rollen für Gesundheitsfachpersonen

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen schreitet voran. Der frühzeitige Miteinbezug und die nachhaltige Unterstützung des Gesundheitsfachpersonals sind dabei grundlegend. Neue Handlungsfelder und Bedarfe der Patientinnen und Patienten erfordern neue Rollen, sei es die technische Unterstützung im Team oder die smarte Beratung am Bett.

Healthcare Information Technology (HIT) wird zunehmend als eine Lösung zur Verbesserung der Arbeitsprozesse und Steigerung der Versorgungsqualität im Gesundheitswesen beworben. Die dadurch erwarteten Vorteile führen zu einer Zunahme der digitalen Transformation. Im internationalen Vergleich hinkt die Schweiz jedoch weit hinterher. Gemäss einem Bericht der Bertelsmann Stiftung steht das Schweizer Gesundheitssystem im Ländervergleich bzgl. Digitalisierung aktuell auf Platz 14. Durch den politischen Druck (Einführung EPD) und der sinnflutartigen Zunahme an digitalen Lösungen (bspw. 250’000 Gesundheits-Apps), ist in den nächsten Jahren wohl mit einer verstärkten Digitalisierung im Schweizer Gesundheitssystem zu rechnen.

Dies hat neben den benötigten finanziellen Ressourcen seitens der Organisation auch direkte Folgen für das Gesundheitspersonal. Im Vergleich zu anderen Branchen ist es jedoch unwahrscheinlich als Gesundheitsfachperson durch Technologien ersetzt zu werden. Somit ist es naheliegend, dass, abgesehen vom Fachpersonal Radiologie, grundsätzlich keine Angst besteht durch Technologien den Job zu verlieren, wie aktuellste Zahlen aus der STRAIN-Studie belegen.

Die Digitalisierung geht mit neuen bzw. erweiterten Kompetenzen und Rollen einher. Um den Prozess nachhaltig erfolgreich zu gestalten ist neben dem technischen Fortschritt somit auch der Fortschritt auf personeller Ebene grundlegend. Wird das Gesundheitspersonal nicht miteinbezogen oder die Rollen nicht geklärt, kann das zu «Technostress» führen. Technostress ist ein Ausdruck der eigenen Unzufriedenheit, Angst, Anspannung und Beklemmung bei der Interaktion mit Technologie.

Ein aktuelles Beispiel ist die Einführung des Klinikinformationssystems (KIS) «Lukis» am Luzerner Kantonalspital, das zumindest vorübergehend zu einer Mehrbelastung führte. Gerade die KIS sind in dieser Hinsicht ein zweischneidiges Schwert. Einerseits kann die Nutzung eines KIS zu einer sichtlichen Ertragssteigerung durch Beschleunigung der Prozesse führen und die Versorgungsqualität steigern. Andererseits kann die Implementierung eines KIS mit einem Anstieg an Belastung seitens der Gesundheitsfachpersonen einhergehen.

Zur Vermeidung dieses unerwünschten Effekts der Digitalisierung scheinen drei Ansätze relevant, die sich direkt auf die Rolle der Gesundheitsfachpersonen auswirken:

1. Frühzeitiger Miteinbezug der Gesundheitsfachpersonen in die Entwicklung und Implementierung von HIT

Bis anhin werden Gesundheitsfachpersonen zu spät (meist erst bei der Implementierung) mit einbezogen. Dies führt zu schlechter Usability und fehlenden Schnittstellen. Durch einen Miteinbezug ändert sich auch die Rolle der Gesundheitsfachpersonen. Das Personal wird dadurch von Konsument*innen zu Mitproduzent*innen. Dieser Wechsel fördert zugleich die digitale Kompetenz, denn dadurch können sich Gesundheitsfachpersonen mit Informatik befassen und ein besseres Verständnis für die abstrakten Prozesse im Innern einer Hard- bzw. Software entwickeln.

2. Verbesserung der digitalen Kompetenz der Gesundheitsfachpersonen

Die Digitalisierung setzt neue bzw. erweiterte Kompetenzen voraus. Es gibt eine Vielzahl an Bestrebungen, die digitalen Kompetenzen zu definieren. Grundsätzlich lässt sich für die digitalen Kompetenzen für Gesundheitsfachpersonen sagen, dass diese sich aus dem nötigen Wissen, den erforderlichen Fähigkeiten, ethischen Überlegungen und der entsprechenden persönlichen Einstellung gegenüber der Technologie zusammensetzen. In Bezug auf die Inhalte sind die empfohlenen 24 Kernkompetenzen der Tiger Initiative am weitesten verbreitet. Diese Empfehlungen liefern einen klaren Rahmen und ermöglichen die Aus- und Weiterbildung für Gesundheitsfachpersonen gezielt entwickeln und anbieten zu können. So birgt beispielsweise die Einführung des EPD ein grosses Potential in Bezug auf das «Shared Desicion Making». Doch benötigt das Gesundheitsfachpersonal dafür die nötigen Kompetenzen, um 1. die Technologie anwenden zu können und 2. die Patient*innen darin zu schulen, um gemeinsam darüber interagieren zu können.

3. Kontinuierlicher Support (inhaltlich und technisch)

Bei der Implementierung neuer Technologien wird das Gesundheitsfachpersonal im Umgang damit geschult. Meist bleibt es bei einer einmaligen Schulung, wobei gerade der kontinuierliche Support durch die hausinterne Informatik sowie im Team grundlegend für eine erfolgreiche und nachhaltige Nutzung neuer Technologien sind. Auch hier können sich neue Rollen bilden, sodass eine Gesundheitsfachperson erweiterte Kompetenzen in Bezug auf implementierte HIT hat und das eigene Team unterstützt.

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AUTHOR: Christoph Golz

Christoph Golz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Berner Fachhochschule Gesundheit. Seine Forschungsschwerpunkte sind die zukunftsgerichtete und bedarfsorientierte Entwicklung der Gesundheitsversorgung.

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