Hackathons als Hot Spot für Digital Skills

Wenn buntgemischte Teams stunden- oder tagelang tüfteln, bis sie aus Daten neue Anwendungen programmieren, dann handelt es sich sehr wahrscheinlich um einen Hackathon. Diese unhierarchische Organisationsform gedeiht im digitalen Zeitalter bestens, schreibt unsere Autorin.

Ich interessiere mich für Hackathons: Data- und Codes-sharing Events an denen Programmierer, Designer, Projektmanager und andere Spezialisten und Interessierte für einen begrenzten Zeitraum von 24 bis 48 Stunden zusammen kommen und gemeinsam unter Einbezug von Daten und Code an so genannten Challenges arbeiten, Software optimieren oder Prototypen entwickeln. Jetzt bin ich jedoch keine Informatikerin, kein Data Scientist oder Mathematikerin – noch nicht mal Wirtschaftsinformatikerin. Ich interessiere mich weder für die technische Raffinesse der Lösungen, noch für die User-Freundlichkeit oder den Datenzugang. Nein, als Arbeits- und Organisationswissenschaftlerin stellt sich mir die Frage, inwieweit Hackathons eine neue Organisationsform darstellen und was während dieser Events – neben lines of codes und Prototypen – eigentlich alles produziert wird. Warum diese Frage?

Hackathons als Organisations- und Lernlaboratorium

Hackthons gelten in den Organisationswissenschaften als offene Organisationsform, in der nicht-hierarchische Strukturen dazu führen, dass sich alle Beteiligten unabhängig von Position und Status in Innovationsprozesse einbringen können. Sie gelten daher auch als besonders inklusiv und kollaborativ – zwei Aspekte die im Rahmen der Digitalisierung der Arbeitswelt immer wieder diskutiert werden. Universitäten wenden Hackathons an, um theoretisch vermitteltes Wissen praktisch anzuwenden und Studierenden ein Erfolgserlebnis in der Umsetzung von Lösungen zu geben und Resilienz zu fördern. Zudem hat sich gezeigt, dass an Hackathons neben dem individuellen auch Teamlernen stattfindet: man lernt mit und voneinander. «Etwas lernen» ist für die meisten Teilnehmende daher auch eine Hauptmotivation, sich freiwillig an einem Hackathon zu engagieren (Briscoe & Mulligan, 2014).

Was sind Digital Skills?

Was aber kann man an einem Hackathon konkret lernen? Eine neue Programmiersprache, eine Anwendung oder die sogenannten digital skills? Think Tanks und Beratungsfirmen haben in den letzten Jahren immer wieder darauf hingewiesen, dass die digitale Transformation es notwendig macht, dass wir mehr Menschen mit technologischen Kompetenzen benötigen. In einem Bericht von McKinsey & Company (2018) über die Zukunft der Arbeit in der Schweiz heisst es, dass der Bedarf an technologischen, sozialen und emotionalen Kompetenzen stark zunehmen wird, wohin gegen körperliche oder manuelle Fähigkeiten zurück gehen werden. Zu den technologischen skills zählen sie IT- und Programmierungs-Kenntnisse, Technology design und engineering, Datenanalysen und mathematische Fähigkeiten, sowie basic digital skills (S. 48). Unter die sozialen und emotionalen Skills fallen: Fähigkeit zur Selbstführung, Kommunikations- und Verhandlungsfähigkeit, Wissen an andere weitergeben, Initiative zeigen, Anpassungsfähigkeit und Empathie (S.48). Diese Aufteilung in technologische, soziale und emotionale skills klingt zunächst einleuchtend. Bei genauerer Betrachtung reproduziert sie jedoch das Silo-denken einer Arbeitswelt der letzten Jahrhunderte, in der Technik vornehmlich für Techniker und Soziales vornehmlich für Sozialwissenschaflter relevant war. In unserer heutigen digitalisierten – sprich stark vernetzt und interdisziplinären Arbeitswelt – macht es jedoch Sinn, diese herkömmliche Abgrenzung von Skills zu überdenken.

Digital skills am Hackathon

Kehren wir zurück zum Bärn-häckt-Hackathon. Was man hier während 48 Stunden beobachten konnte, sind augenscheinlich technologische Fähigkeiten: Man entwickelt und programmiert, analysiert Daten und schreibt Codes. Gleichzeitig fällt auf, dass diese technischen Skills unterschiedlich gut zum Einsatz kommen: Da gibt es einige Teilnehmende, die schon beim Auftreten von kleinen Problemen verzweifeln, wohin gegen andere auch beim Auftreten von grösseren Schwierigkeiten motiviert sind, einen neuen Lösungsweg zu suchen. Da gibt es ein Team mit einem Fachexperten, der sein Wissen weitergibt, wodurch das ganze Team zu einer besseren Lösung findet. Oder es gibt Teams, in denen die technische Expertise begrenzt ist, die aber durch ein besonders gutes Kommunikationskonzept und einen humorvollen Pitch am letzten Tag beim Publikum besonders gut ankommt. Emotionale Selbstregulation (in Anbetracht von Erschöpfung, Gereiztheit, Euphorie) ist genauso präsent wie intentionales Verhalten und beides steht in direktem Zusammenhang mit dem technischen Knowhow. Diese Beobachtungen legen nahe, dass das Konzept der digital skills keineswegs nur kognitivie/technische skills beinhalten sondern eng verbunden mit sozialen und emotionalen skills sind.

Einen Schritt weiter in der digitalen Transformation

Mit anderen Worten: Die Arbeitsweise der Hacker legt nahe, dass die Herausforderungen der digitalen Arbeitswelt nicht zu meistern sind, wenn technische skills ohne soziale Fähigkeit auftreten oder emotionale Stabilität ohne fachliche Expertise. Digitale Skills können daher am besten als ‘Bündel’ von sozialen, emotionalen und technischen Praktiken verstanden werden. Eine solcher Perspektivwechsel kann auch dazu beitragen, dass alte – aber immer noch weit verbreitete – Stereotype wie die sozial eher inkompetenten IngenieurInnen oder technikphoben SozialwissenschaftlerInnen überwunden werden und statt dessen digitale skills bei allen Berufsgruppen Voraussetzung werden, die es aufzubauen beziehungsweise weiterzuentwickeln gilt. Hackathons bieten dazu eine gute Gelegenheit. Sie sind eben nicht nur ein Tech-Event, sondern ein Prototyp der neuen Arbeitswelt und somit Lernlaboratorium für die digitale Transformation unserer Arbeitswelt.


48 Stunden hacken

Vom 23.-25. August 2019 fand zum dritten Mal der Bärn-häckt-Hackathon in den Räumlichkeiten der BFH Wirtschaft statt. Die BFH war als eine von zehn Challenge-Sponsoren aktiv an dem Event beteiligt. Unter dem Stichwort «Nachhaltigkeit» rief sie die Teilnehmenden dazu auf, eine Suffizienz-Plattform zu entwickeln. Andere Challenges adressierten Fragen der Navigation, der individualisierten Reiseführung oder die Zukunft des Banking. Nicht nur die Ergebnisse, sondern auch die Arbeitsweisen der einzelnen Teams waren eindrücklich. Sie boten die Gelegenheit, um über das aktuelle Thema der Digital Skills nachzudenken. Eines der Gewinnerteams hat für die BFH eine Suffizienz-Plattform entwickelt. An dieser Stelle nochmals Gratulation an alle Teilnehmenden, die die 48 Stunden durchgehalten und damit ihre digital skills bewiesen haben. Alle Informationen und Impressionen zu «Bärn häckt 2019» finden Sie hier.


Referenzen

  1. Briscoe, G. & Mulligan, C. (2014). Digital innovation: The hackathon phenomenon.
  2. McKinsey & Company (2018). The future of work: Switzerland’s digital opportunity.
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AUTHOR: Nada Endrissat

Prof. Dr. Nada Endrissat ist Mitarbeiterin in der Fachgruppe Neue Arbeits- und Organisationsformen am Institut New Work der BFH Wirtschaft.

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