Japan: Die alternde Gesellschaft braucht Technologie-und Communityentwicklung
Die Überalterung der Gesellschaft ist in Japan weiter fortgeschritten als in der Schweiz. Japan steht schon länger unter einem entsprechenden Innovationsdruck. Eine Delegation der BFH reiste in die Präfektur Nara, um sich mit ExpertInnen vor Ort über den Umgang mit der alternden Gesellschaft auszutauschen und die Zusammenarbeit zu diskutieren.
Angesichts des stark ausgeprägten Fachkräftemangels, die an sich keine japanische Besonderheit darstellt, ist das Interesse an der Forschung über Robotik und Smart Systemen besonders gross. In Japan werden Roboter seit längerem eingesetzt und scheinen akzeptierter als in der Schweiz. Besonders interessant ist deswegen der japanischen Einsatz von Smart Technologien in Bezug der Frage der Alterung der Bevölkerung.
Smart Lösungen zur Entlastung der Fachkräfte
Das Nara Institute of Science & Technology verfügt über einen Schwerpunkt Informationswissenschaften mit alternsrelevanten Themenstellungen. Diese sind sehr ähnlich wie in der Schweiz, wie zum Bespiel Smart Homes und robotische Begleiter. Die unabhängige Lebensführung der fragilen älteren Menschen zuhause soll durch sensorgestützte Assistenzsysteme unterstützt werden, so dass eine Eins-zu-Eins-Betreuung unnötig wird.
Solche „Smart Devices“ erlauben zwar eine sicherere und grössere Selbstständigkeit für ältere Menschen, der menschlichen Faktor sollte aber nicht unterschätzt werden: Eine Device, egal wie intelligent sie ist, ist kein Ersatz für Menschen, sondern eine Unterstützung. Kompetenzen wie Empathie und Humor, aber auch Flexibilität und Adaptivität bezüglich Situationen bleiben den Menschen vorbehalten.
Neue smarte Technologien bieten interessante Lösungen, um die sinnvolle Entlastung und den optimierten Ressourceneinsatz der Fachkräfte in Pflege und anderen Branchen zu unterstützen. Community-based Lösungen sollten aber ebenso in Betracht gezogen werden, um die verlangte menschliche Interaktionen zwischen den (älteren) Menschen zu fördern.
Gemeinde-basierte Lösung: Das Beispiel von Nara
Die Präfektur Nara verfolgt das Ziel, bis 2025 ein sogenanntes «Community-Based Integrated Care System» aufzubauen. Innerhalb eines bestimmten Perimeters, der sich an die Schulbezirke anlehnt, sollen ältere zuhause lebende Menschen innerhalb einer halben Stunde mit notwendigen Dienstleistungen wie Gesundheitsversorgung, Pflege, Prävention etc. versorgt werden können. Dies bedingt, dass lokale Apotheken, Spitäler, Seniorenclubs, Gemeindezentren und Pflegeeinrichtungen eng zusammenarbeiten. Diese Form der integrierten Versorgung soll es älteren Menschen erleichtern, bis zum Ende ihres Lebens in ihrer vertrauten Umgebung zu wohnen und betreut zu werden.
Die grösste Herausforderung besteht auch in der Präfektur Nara darin, die interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen den Fachkräften im Gesundheits- und Sozialwesen zu verbessern. Während sich die einen stark am Pflegeauftrag orientieren, wollen die anderen vor allem die Ressourcen ihrer Klientinnen und Klienten stärken. Zudem gibt es Unterschiede in Ausbildung, Werthaltungen und Fachterminologien, welche die angestrebte intensivere Zusammenarbeit erschweren. Hier setzt die Präfektur auf die Förderung des gegenseitigen Verständnisses und der Kooperation. In interprofessionellen Treffen lernen sich die Fachpersonen bei der gemeinsamen Arbeit an Prinzipien für eine koordinierte Versorgung besser kennen und üben die Zusammenarbeit.
Brücken zwischen Spital und häuslichem Umfeld
Vom Nursing Department des General Medical Center wird die Wichtigkeit der Transitionen zwischen Spital und dem häuslichen Umfeld, gerade auch für ältere Menschen, betont. Deswegen wird eine gute Zusammenarbeit zwischen dem General Medical Center und den Hausärzten angestrebt. Ein Regional Medical Liaison Office ist im General Medical Center angesiedelt, regelt die Aufnahme ambulanter Patientinnen und Patienten und ist darüber hinaus für die Koordination des Austritts zuständig. Zu diesem Zweck werden mit den örtlichen medizinischen Einrichtungen alle wichtigen Informationen ausgetauscht. Ebenfalls gibt es die Rolle eines Care Managers bzw. einer Care Managerin, die zwischen Patienten und Angehörigen auf der einen und dem medizinischen Versorgungssystem auf der anderen Seite vermittelt.
Auch in der Schweiz verschärft sich der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen und insbesondere die künftige Sicherstellung der Langzeitpflege stellt eine grosse Herausforderung dar. Aus diesem Grunde wird auch bei uns über Wege zur Entlastung der professionellen Pflegefachkräfte nachgedacht. So werden zum Beispiel mit dem Begriff der „Sorgenden Gemeinschaft“ Initiativen umschrieben, welche die Pflege und Betreuung älterer Menschen als gesamtgesellschaftliche Aufgabe betrachten und den Wert von Versorgungsnetzwerken betonen, die lokal in einem Zusammenspiel verschiedenster formeller und informeller ein „Ageing in Place“ ermöglichen. Die beschriebenen Bestrebungen der Präfektur Nara im Bereich „Community-Based Integrated Care“ sind deshalb auch für die Schweiz von grösstem Interesse.
Möglichkeiten der Zusammenarbeit
Im Rahmen eines gemeinsamen Forschungsprojekts soll ein vereint betriebenes Lab «Innovation for the Ageing Society» aufgebaut werden. In diesem können praxisrelevante Themenstellungen aus Altersarbeit, Wirtschaft und Verwaltung des Kantons Bern sowie der Präfektur Nara bearbeitet werden. Im Blickwinkel der Forschung sollten Community-Based Lösungen stehen und wie sie durch smarte Technologien unterstützt werden können, um die künftige technologiegestützte gesundheitliche Versorgung sowie die möglichst selbständige Lebensgestaltung der älteren Menschen optimal vorantreiben zu können.
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