Linked Open Data für Smart Cities? Neue Entwicklungen aus Sicht der Forschung
Fast alle Städte, die sich als Smart City bezeichnen oder zu einer solchen werden wollen, haben auch eine Strategie zu Open Data und publizieren relevante Daten auf oft eigenen Portalen. Grund dafür ist insbesondere die Förderung von datenbasierten Innovationen durch Dritte. Linked Data ist bisher aber wenig verbreitet. Es lassen sich aber Tendenzen zur vermehrten Publikation und Verwendung von Linked Data beobachten: Die Verwendung von semantischen Schnittstellen soll die Integration und Wiederverwendung der Daten vereinfachen – insbesondere über verschiedene Smart-City-Plattformen hinweg. Ausserdem können Metadaten einfach verlinkt werden, wie zum Beispiel Informationen zur Datenqualität.
Das vor kurzem erfolgreich abgeschlossene Horizon 2020 EU-Japan Forschungsprojekt CPaaS.io („City Platform-as-a-Service – Integrated and Open“) resultierte nicht nur in verschiedenen Konzepten, Werkzeugen und technischen Komponenten für den Aufbau einer Smart City, sondern hat insbesondere dazu beigetragen, dass Linked Data im Smart-City-Umfeld und den dazugehörigen Standards in Zukunft eine wichtigere Rolle spielen wird. So wurde Linked Data verwendet, um verschiedene Datenplattformen zu föderieren und um die Daten mit Metadaten anzureichern. Ausserdem wurden Beiträge erarbeitet zur Definition von Standards für semantische Schnittstellen solcher Datenplattformen.
Bevor wir auf diese Aspekte tiefer eingehen können, sind einige Ausführungen zum Projekt an sich erforderlich. Hauptziel des Projektes war es gewesen, eine Datenplattform für Smart Cities zu entwickeln, über die auch Dritte Zugang zu relevanten Stadtdaten aus unterschiedlichen Quellen erhalten können, insbesondere von Sensoren des Internets der Dinge. Dieses Ziel wurde erreicht: Neben einer generischen funktionalen Architektur wurden auch zwei Implementierungen realisiert: In Europa basierend auf dem FIWARE Framework, welches bereits in vielen Städten wie z.B. Wien im Einsatz ist, und in Japan basierend auf der u2 Architektur (Koshizuka, Haller & Sakamura, 2018). Dass für die Implementierungen in den beiden Regionen auf unterschiedlichen Grundlagen aufgebaut wurden, hatte einerseits historische Gründe – die Projektpartner hatten langjährige Erfahrungen mit den entsprechenden Technologien. Wichtiger war aber, dass damit die Föderation und Integration von Plattforminstanzen einem Realitätstest unterzogen wurde, schliesslich kann nicht erwartet werden, dass alle Städte ihre Smart City Infrastruktur auf denselben Technologien aufbauen werden. Neben der Architektur und den regionalen Implementierungen hat das Projekt auch konkrete Anwendungen in den Bereichen Verkehr, Tourismus, Eventmanagement, Notfallversorgung und Wassermanagement in Partnerstädten umgesetzt, sowie Werkzeuge für Städteplaner entwickelt. Genauere Informationen zu allen Projektresultaten finden sich auf der Webseite des Projektes. Im Folgenden werden wir aber nur auf die Linked Data-Aspekte eingehen.
Datenföderation über Linked Data
Die Architektur der CPaaS.io-Plattform enthält einen sogenannten „Semantic Data & Integration Layer“. Dieser ist insbesondere dafür verantwortlich, dass Daten von Sensoren (Stichwort „Internet der Dinge“) verknüpft werden mit den aus Anwendungssicht relevanten virtuellen Entitäten. Virtuelle Entitäten sind dabei gemäss dem IoT-Domänenmodell (Haller et al., 2013) das Abbild von realen physischen Entitäten in einem Informationssystem. Als einfaches Beispiel dafür kann die Verknüpfung eines von einem Sensor gemessenen Temperaturwertes mit dem Zimmer, in dem sich der Sensor befindet, genannt werden. In diesem Layer werden die Daten aber auch mit semantischen Metadaten zur besseren Wiederverwertbarkeit angereichert, und die Daten selbst werden auch über einen SPARQL Endpunkt verfügbar gemacht.
Hier zeigt sich jetzt eine der Stärken von Linked Data. Obwohl die beiden Plattforminstanzen in Europa und Japan technisch komplett unterschiedlich implementiert sind, ist eine föderierte Query über beide Instanzen hinweg einfach zu realisieren. Im Projekt haben wir CostFed der Universität Leipzig genutzt, um die beiden SPARQL Endpunkte zu föderieren. Der Nutzen einer solchen Föderation und Kombination von Datensets wird zum Beispiel im Bereich Event Management sichtbar. Mittels Sensoren hatten wir Daten von Eventbesuchern bei zwei Events erhoben, einem Color Run in Utrecht und dem Sapporo Snow Festival, und die Daten in der Plattforminstanz der jeweiligen Region gespeichert. In einem Dashboard können die Daten nun kombiniert und visualisiert werden. Die Abbildung unten zeigt beispielhaft die kombinierten Werte wie Kalorienverbrauch, Schrittzahl etc. für den Nutzer Jon über beide Events hinweg:
Abbildung 1: Das Dashboard zeigt die kombinierten Daten aller Events an, die der Nutzer Jon besucht hat (Quelle: AGT International)
Metadaten zur Datenqualität
Die CPaaS.io-Plattform soll es Dritten ermöglichen, auf die Daten – im Sinne von Linked Open Data – zuzugreifen, und damit neue Anwendungen und Dienstleistungen zu bauen. Diese Daten können allerdings von unterschiedlicher Qualität sein. Insbesondere bei Sensordaten kann sich die Frage stellen, was wichtiger ist: Korrekte Messwerte, welche unter Umständen eine Mittelung über die Zeit erfordern, oder möglichst aktuelle Werte. Die Plattform kann und sollte eine solche Entscheidung nicht treffen; nur die einzelne Anwendung kann entscheiden, ob die Daten in „genug guter“ Qualität vorliegen. Dazu benötigt die Anwendung aber Informationen über die Datenqualität. Auch hier eignet sich Linked Data sehr gut, um diese Informationen als Metadaten bereitzustellen, und das CPaaS.io-Projekt hat dazu eine Ontologie namens SEDAQ (kurz für SEnsor DAta Quality assessment) entwickelt (Klein & Collovà, 2018). Die SEDAQ-Ontologie wurde nicht von Grund auf neu entwickelt, sondern sie basiert auf existierenden W3C Standards wie Semantic Sensor Network (SSN), PROV-O und DCAT, sowie dem IoT Domänenmodell (Haller et al, 2013) aus dem Europäischen Leuchtturmprojekt IoT-A.
Linked Data-basierte Plattform APIs
In der Europäischen Implementierung der CPaaS.io-Plattform werden verschiedene FIWARE-Komponenten verwendet. Diese können über Schnittstellen basierend auf den ursprünglich von der Open Mobile Alliance (OMA) definierten NGSI-9 bzw. NGSI-10 Protokolle angesprochen werden. Ein Context Broker auf der Basis von NGSI-9/10 ist eine Modul in der „Connecting Europe Facility“ mit der die EU kontextbasierte Datenplattformen in Europe vereinheitlichen möchte. Diese Protokolle, basierend auf HTTP und JSON, unterstützen aber Linked Data nicht. Im Rahmen des CPaaS.io-Projektes wurde deshalb eine neue Komponente namens NGSI-LD Broker entwickelt. NGSI-LD wurde mit Hilfe der Projekterfahrungen von der ETSI Industry Specification Group für Cross-Cutting Context Information Management (ISG CIM) standardisiert. Eine endgültige Version 1.0 der Spezifikation wurde im Januar 2019 veröffentlicht und definiert eine Standard-API, die einen nahezu Echtzeitzugriff auf Informationen aus vielen verschiedenen Quellen ermöglicht – unter Verwendung der Linked Data Ansätze.
Der NGSI-LD Broker erlaubt den semantischen Zugriff auf bestehende Funktionalitäten in der Plattform, wie zum Beispiel Kontextabstraktion, Subskription und Notifikation bezüglich Kontextinformationen, oder auch Geo-Queries und termporale Queries. Darüber hinaus bietet der Broker zusätzliche neue Funktionalität an (Carrez, 2019), insbesondere:
- NGSI-LD basiert auf JSON-LD, und unterstützt somit Linked Data sowie semantische Interoperabilität über heterogene Kontextquellen und Verbraucher hinweg.
- Über eine Temporal Query Language können zeitliche Eigenschaften von Entitäten und Attributen definiert werden. Ausserdem Zeitreiheninformationen gespeichert und abgerufen werden.
- Ein weiteres relevantes Merkmal ist die Verwendung des GeoJSON-Formats für geografische Datenstrukturen, das viele Geometrietypen und einen verbesserten Geoinformationsaustausch mit Komponenten von Drittanbietern ermöglicht.
Ausblick
Das CPaaS.io-Projekt hat zu Resultaten geführt, die auch in Zukunft ihre Wirkung entfalten werden. So werden die neu entwickelten oder verbesserten Komponenten der Plattform in der FIWARE bzw. der u2-Community weiterentwickelt und genutzt. Auch die involvierten Partnerstädte führen die Umsetzung der implementierten Anwendungen weiter. Im Bezug auf Linked Data ist klar abzusehen, dass das Thema für Smart Cities in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen wird. Die Standardisierung von NGSI-LD ist nur der erste Schritt. Wichtiger ist, dass die Open & Agile Smart Cities (OASC) Initiative, eine Vereinigung von Smart Cities weltweit, NGSI-LD als einen ihrer minimalen Interoperabilitätsmechanismen (Minium Interoperability Mechanism, MIM) definiert hat. Es kann deshalb davon ausgegangen werden, dass durch Linked Data Interoperabilität und Datenzuverlässigkeit im Rahmen des Kontextinformationsmanagements von Smart Cities erhöht werden.
Literaturverzeichnis
- Carrez, F. (Ed.). (2019). CPaaS.io System Architecture (v4). io Project Deliverable D3.7.
- Haller, S. & Ishikawa, C. (Eds.). (2019). Final Report: Summary of Outcomes. io Project Deliverable D8.4.
- Haller, S., Serbanati, A., Bauer, M.P., & Carrez, F. (2013). A Domain Model for the Internet of Things. 2013 IEEE International Conference on Green Computing and Communications and IEEE Internet of Things and IEEE Cyber, Physical and Social Computing, 411-417.
- Klein, E. & Collovà, P. (Eds.). (2018). Holistic Data Management: Refined Concepts and Models. io Project Deliverable D6.4.
- Koshizuka, N., Haller, S., & Sakamura, K. (2018). io: An EU-Japan Collaboration on Open Smart-City Platforms. Computer, 51, 50-58.
Danksagung
Das Projekt CPaaS.io wurde finanziert durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der Europäischen Union (Grant Agreement n° 723076) sowie durch das NICT in Japan (Management Number 18302).

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