Das Internet in Altersinstitutionen

Die Internetnutzung ist allgegenwärtig, jedoch wurde sie in der stationären Alterspflege bisher kaum erforscht. Der vorliegende Artikel bespricht die Ergebnisse zweier Befragungsstudien bei Bewohnerinnen und Bewohnern von Altersinstitutionen. Die Ergebnisse zeigen auf, dass die Internetnutzung nun auch in den Altersinstitutionen angekommen ist. Abschliessend werden die Ergebnisse hinsichtlich weiterem Forschungsbedarf hin diskutiert.

Für viele Menschen ist das Surfen im Internet in unserer digitalisierten Welt selbstverständlich. Eine Ausnahme bilden jedoch ältere Menschen, bedingt durch fehlende Berührungspunkte mit dem Internet beziehungsweise fehlenden funktionellen, kognitiven oder sozialen Ressourcen zur Nutzung dieser Technologien (Seifert, 2016). Speziell davon betroffen sind Bewohnerinnen und Bewohner von Altersinstitutionen, da der Zugang und die Nutzung von Technologien auch von den Rahmenbedingungen der jeweiligen Einrichtung abhängen und oftmals kein Internetzugang zur Verfügung steht (Moyle et al., 2018). Zunehmend steigt jedoch das Interesse und die Nachfrage älterer Menschen für die digitalisierte Welt, auch bei Bewohnerinnen und Bewohnern von Altersinstitutionen. Bislang war aber unklar, wie die Internetnutzung in diesen Institutionen überhaupt aussieht.

Zwei aktuelle Studien

Während die Internetnutzung bei älteren Menschen in Privathaushalten eingehend erforscht ist, existieren bisher keine Studien, die sich mit der Internetnutzung älterer Menschen in Altersinstitutionen beschäftigen. Obwohl vermutet wurde, dass die teilweise hochaltrigen Bewohnenden schon allein aufgrund gesundheitlicher oder funktioneller Einschränkungen weniger mit Technologien wie Computer oder Smartphone in Berührung kommen, steigt die Nachfrage nach der Nutzung zunehmend. Führungspersonen in Altersinstitutionen werden häufig von neu eintretenden Bewohnenden um einen Internetanschluss gebeten. Es zeigt sich ein Wachstum des Bedürfnisses nach entsprechender technischer Infrastruktur, unter anderem auch deshalb, da immer mehr Bewohnende mit Interneterfahrung in Altersinstitutionen nachrücken werden.

Erste Erkenntnisse zur Internetnutzung in Altersinstitutionen wurden Ende 2016 in Zürich anhand von zwei Surveys gewonnen (Seifert, Doh, & Wahl, 2017; Seifert 2017). Fast 2000 Bewohnende wurden zu ihrer Internetnutzung befragt: 730 Bewohner/-innen aus 18 Häusern der Interessengemeinschaft gemeinnütziger Altersinstitutionen der Stadt Zürich (IGA Zürich) und 1.212 Bewohner/-innen aus den städtischen Alterszentren der Stadt Zürich (ASZ).

Von den befragten Bewohnerinnen und Bewohnern gaben insgesamt 15 % eine Nutzung des Internets an. Dabei korrelierte die Verteilung der Internetnutzung stark mit dem Alter: So nutzten Personen jünger als 80 Jahre häufiger das Internet als die über 80-Jährigen. Insgesamt gingen 43 % der Befragten täglich ins Internet, 31 % nutzten es wöchentlich und die verbleibenden Befragten nutzten das Internet selten. Im Vergleich zur älteren Gesamtbevölkerung sind das durchaus hohe Werte, besonders unter Berücksichtigung gesundheitlicher Einschränkungen und infrastruktureller Rahmenbedingungen der stationären Wohnsituation.

Nun stellte sich die Frage, wie sich die das Internet nutzenden Bewohnenden von den Nichtbenutzenden unterschieden. Es zeigte sich, dass Alter, Geschlecht, Pflegestufe und subjektive Selbständigkeit die Internetnutzung beeinflussen. So nutzen vor allem jüngere männliche Bewohnende mit geringer Pflegestufe und mit subjektiv wahrgenommener guter Selbstständigkeit das Internet. Wobei der Zusammenhang zwischen Internetnutzung und wahrgenommenen Selbstständigkeit auch anders interpretiert werden kann: So geben mehr Internetnutzende als nicht-Internet-Nutzende an, sich selbstständig zu fühlen. Daraus lässt sich die Annahme ableiten, dass die Internetnutzung das Gefühl von Selbstständigkeit verstärken kann, da über das Internet z. B. Informationen, Unterhaltungsangebote oder Dienstleistungen auch ausserhalb der Institution abgerufen werden können.

Erkenntnisgewinn und Forschungsbedarf

Das Internet ist also in den Altersinstitutionen angekommen. Die Ergebnisse geben einen ersten Einblick in dieses noch wenig beleuchtete Forschungsfeld. Die Studien zeigen, dass der Eintritt in eine Altersinstitution keine Limitation der aktiven Internetnutzung darstellen muss. Besonders interessant ist der Zusammenhang der Internetnutzung mit der subjektiven Selbständigkeit. Dieser Aspekt sollte weiter erforscht werden, denn das genauere Verständnis dieses Zusammenhangs ist von Interesse, damit Pflege- und Betreuungspersonen ältere Menschen in ihrer Selbständigkeit fördern und unterstützen können. Weiter denkbar ist die positive Auswirkung anderer Technologien auf die subjektive Selbständigkeit von Bewohnerinnen und Bewohnern. Diese gilt es zu identifizieren und ihre Nutzungsmöglichkeiten kritisch zu untersuchen.

Für Altersinstitutionen bedeuten die Ergebnisse, die wachsende Nachfrage nach Internetzugängen zu befriedigen und die notwendige technische Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus sind informelle und formelle Schulungsangebote wünschenswert, damit mehr Bewohnerinnen und Bewohnern vom Zugang zur digitalen Welt profitieren können. Zudem sollte auch diskutiert werden, welchen Stellenwert digitalisierte Technologien im Betreuungs- und Pflegealltag generell einnehmen können und sollten, welche Chancen und Gefahren bezüglich Wohlbefinden und Kommunikations- und Beziehungsgestaltung damit verbunden sind sowie welcher Mehrwehrt mit welchen Massnahmen durch solche Technologien generiert werden kann. Dies sind spannende Themen, die nicht nur die Forschung, sondern auch die Praxis in den nächsten Jahren stärker beschäftigen werden.


Referenzen

  1. Moyle, W., Jones, C., Murfield, J., Dwan, T., & Ownsworth, T. (2018). ‘We don’t even have Wi-Fi’: a descriptive study exploring current use and availability of communication technologies in residential aged care. Contemporary Nurse, 54(1), 35–43. https://doi.org/10.1080/10376178.2017.1411203
  2. Seifert, A., & Schelling, H. R. (2016). Alt und offline? Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie, 49(7), 619–625. doi:10.1007/s00391-015-0965-1
  3. Seifert, A., Doh, M., & Wahl, H.-W. (2017). They also do it: Internet use by older adults living in residential care facilities. Educational Gerontology, 43(9), 451-461. doi:10.1080/03601277.2017.1326224
  4. Seifert, A. (2017). Internetnutzung von Bewohnern stationärer Alterspflegeeinrichtungen. Pflegezeitschrift, 70(5), 55-57. doi:10.1007/s41906-017-0067-3
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AUTHOR: Alexander Seifert

Alexander Seifert ist Sozialpädagoge und Soziologe. Er arbeitet als Bereichsleiter "Forschung und Grundlagen" am Zentrum für Gerontologie (ZfG) der Universität Zürich und hat diverse Studien zum Thema „Techniknutzung im Alter“ durchgeführt.

AUTHOR: Friederike J. S. Thilo

Prof. Dr. Friederike Thilo ist Leiterin Innovationsfeld "Digitale Gesundheit", aF&E Pflege, BFH Gesundheit. Ihre Forschungsschwerpunkte sind: Design Zusammenarbeit Mensch und Maschine; Technologieakzeptanz; need-driven Entwicklung, Testung und Evaluation Technologien im Kontext Gesundheit/Krankheit; datenbasierte Pflege (Künstliche Intelligenz).

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