Konferenz: Healthcare of the Future – Bridging the Information Gap
Wie wirken sich eHealth, mobile Health, Selbstmonitoring und personalisierte Medizin auf das künftige Gesundheitswesen aus? Wie kann man diese Techniken besser miteinander verbinden und damit bisherige Medienbrüche vermeiden? Was sind die Herausforderungen und Chancen des elektronischen Patientendossiers? Die BFH Technik & Informatik veranstaltete zu diesen Themen am 5. April 2019 in Biel die erste internationale Konferenz «Healthcare of the Future».
Im Fokus stand der aktuelle Status der Entwicklung im Bereich Medizininformatik. Rund 100 registrierte Teilnehmende aus der Schweiz, Deutschland, Österreich, England, Frankreich, den USA und Australien, sowie viele Studierende konnten sich in zahlreichen Keynotes und Vorträgen in zwei parallelen Tracks über die aktuellsten Entwicklungen informieren.
Ziel der Konferenz war es, mit neuester Informationstechnologie die bestehenden Kommunikationslücken und Informationsverluste zwischen den verschiedenen Partnern im Behandlungsprozesses zu überwinden und damit die Prozessabläufe im Gesundheitswesen zu verbessern und zu beschleunigen. Zudem sollen Patienten stärker befähigt werden, eine aktive und entscheidende Rolle im eigenen Behandlungsprozess einzunehmen.
EPD löst nicht alle Kommunikationsprobleme
Der Bieler Stadtpräsident Erich Fehr begrüsste die Anwesenden mit einer spannenden Geschichte über die Entwicklung der Zweisprachigkeit in der Uhrenstadt Biel. Er bezeichnete Biel als «arm aber sexy». Zwei internationale Referenten eröffneten die Vormittags- respektive die Nachmittags-Sessions mit spannenden Keynotes: Hans-Ulrich Prokosch von der Universität Erlangen, Deutschland, machte den Anfang unter dem Titel «Verbesserung der Patienten-Spital-Beziehung». Er wies darauf hin, wie einseitig diese Beziehung heute oft noch ist. Zwar sind die Ärzte im Spital und weitere Interessensgruppen sehr an den Daten des Patienten für medizinische Forschungszwecke interessiert. Dieser wird jedoch selbst oft nicht gehört und es bleibt unklar, welchen Gegenwert und welches Mitsprachrecht er dann erhält.
Etwas überspitzt fragte Prokosch, ob die Ärzte überhaupt mit ihren Patienten kommunizieren möchten. Das kommende elektronische Patientendossier löse dieses Problem nicht. Es sei vielmehr zunächst nur eine Sammlung von statischen Dokumenten und könne keine fehlende Kommunikation ausgleichen. Änderungen an diesem Zustand erforderten vielmehr, dass der Arzt die Belange des Patienten auch auf digitalem Weg nicht nur zur Kenntnis nähme, sondern auch berücksichtigte. Dabei brach Prokosch eine Lanze dafür, dass wir bei eHealth über das Teilen und Wiederverwenden von Informationen aus Dokumenten hinausgehen, und zu einer neuen Kommunikationskultur zwischen Ärzten und Patienten kommen müssen, die in gemeinsamer Entscheidungsfindung mündet. Dies hat beispielsweise Auswirkung auf die Art der Einwilligung zur Datennutzung für Forschungsfragen. Diese muss künftig dynamisch an die jeweiligen Anforderungen angepasst werden können. Als Lösung schlug Prokosch ein vereinheitlichtes Patientenportal vor, welches umfassend die Kommunikation zwischen Patienten und Ärzten im Rahmen von Krankenversorgung und Forschung unterstützt.
Tumorwachstum in 3D-Visualisierung
Margaret E. Morris aus Seattle, USA, eine klinische Psychologin, die von 2002-2016 bei Intel als Senior Research Scientist die Auswirkungen von IT basierten Anwendungen auf die Benutzer*innen systematisch erforscht hatte, nahm die Zuhörer mit ihrem Vortrag zum Thema «Left to Our Own Devices» (deutsch ungefähr «Uns selbst überlassen») gefangen. Beginnend mit einem Bericht über die emotionale Wirkung von Licht als Zeichen der Nähe und des Aneinander-Denkens in IT-Anwendungen erwähnte sie als nächstes das Beispiel einer Typ-I-Diabetikerin, bei der solche Optionen des «Information Sharing» über mobile Geräte stattdessen negative Effekte hatten. Die permanente Kommunikation von Wohlbefinden und Zuckerwerten an ein enges familiäres Netzwerk führte zu einem Überangebot von Kommentaren und gut gemeinten Ratschlägen seitens der engsten Verwandten. In diesem Fall war weniger Mitteilsamkeit letztlich besser für beide Seiten. Mit diversen Fragen konnte Morris beim anwesenden Publikum interessante und absolut vergleichbare Effekte auch bei anderen IT-Anwendungen aufzeigen. Als abschliessendes Beispiel zeigte sie die 3D-Visualisierung der Tumorausbreitung bei einer Patientin. In ihrem Beispiel half das gemeinsame Betrachten dieser Visualisierung der Patientin, ihrem Ehemann und ihrem Arzt, gemeinsam über die besten Therapieoptionen zu entscheiden.
Die drei Sitzungen im Scientific Track unter den Themenkreisen «Wie wird eHealth den künftigen Behandlungsprozess verändern», «Arbeitsabläufe im Gesundheitswesen», «Wissensbasierte Unterstützung», sowie die zwei Sitzungen im Young Researcher Track unter den Titeln «Apps zur Unterstützung von Patienten und Gesundheitsversorgern» und «eHealth und der informierte Patient» waren gut besucht und es wurde lebhaft diskutiert.
Zwei Brönnimann-Awards vergeben
Zum Schluss konnte der mit jeweils 1’000 Franken dotierte «Brönnimann’s Award» an William Hue von der Universität Bath, UK, für seinen hervorragenden Beitrag «Erforschung der künftigen Rolle eigener Messdaten in der Rheumatologie» und im Bereich Junge Forscher an Gabriela Augustinov von der medizinischen Universität Wien für den ebenfalls vorzüglichen Beitrag «Kann die österreichische nationale Patientenakte die Rekrutierung von Studienpatienten unterstützen?» überreicht werden. Mit einem Apéro und lebhaften Diskussionen bis 20 Uhr klang dieser Konferenztag aus.
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