Januarausgabe: 2019 – die Konvergenz beginnt
Lange haben wir über die Konvergenz der Medien diskutiert, ehe sie in Form von Smartphones Wirklichkeit wurde, die die NutzerInnen ins Zentrum der Integration stellen, im Rahmen kontrollierter Ökosysteme. Das zeigt zweierlei, dass einerseits Innovation auf abstrakter Ebene durchaus antizipiert werden, dass andererseits aber die konkrete Materialisierung doch oft sehr überrascht. Insbesondere haben viele Topmanager die Bedeutung des Smartphones beim ersten Auftauchen als erstes iPhone gar nicht verstanden – obwohl das Konvergenzthema ein bekanntes und etabliertes war. Man kann daraus schliessen, dass Dreh- und Angelpunkt immer der konsumierende Mensch ist. Aber dies definiert noch nicht, in welcher Rolle der Mensch dabei agiert. Die kann sehr unterschiedlich sein. Es ist deshalb sinnvoll, den Mensch in allen möglichen Rollen als Integrator zu betrachten, wenn wir uns mit Konvergenz- oder Integrationsfragen im Kontext der digitalen Transformation befassen.
Schon lange haben wir mittlerweile auch über die vierte industrielle Revolution diskutiert, die uns in Form der cyberphysikalischen Systeme versprochen wurde, also das Konvergieren, respektive die Integration von digitalen Informationsverarbeitungssystemen und physikalischen Produktionssystemen. Doch bislang fehlt die Möglichkeit, sie fachdisziplinär zu gestalten. So bleibt die vierte industrielle Revolution ein Marketing-Begriff, der sich in Diskussion als kaum bewältigbar erweist, beispielsweise wenn es um Cybersecurity für cyberphysikalische Systeme geht. Aber auch Standardisierungen von Teilaspekten wie die Industrie 4.0 überzeugen bislang kaum. Wir benötigen dringend disziplinär getragene Design-Instrumente, besser noch transdisziplinäre Design-Instrumente, die ein Konvergieren der disziplinären Perspektiven in der Praxis ermöglichen. Dabei sollte ebenfalls der Mensch im Zentrum stehen, aber nicht als KonsumentInnen, Betroffene oder NutzerInnen, sondern als GestalterInnen. Früher nannte man das IngenieurInnen, doch mittlerweile ist es rivalisierenden Disziplinen gelungen, die Reputation der IngenieurInnen massiv zu diskreditieren. «Ich glaube ihnen nicht, sie sind Ingenieur» ist kein seltener Spruch in der Geschäftswelt. Es ist es politisch geschickter von GestalterInnen zu sprechen. Denn dafür halten sich alle.
Die Frage lautet dann, wie wir ein Konvergieren des multidisziplinären Gestaltens erreichen – und zwar ein Konvergieren auf Augenhöhe. Es bringt nichts, wenn Software-IngenieurInnen die wirkliche Arbeit machen, die dann von Usability-ExpertInnen ein wenig umgestellt wird, um das Schlimmste zu beheben. Es bringt ebenso wenig, wenn die BetriebswirtInnen grossartige Anweisungen geben, und die Software-IngenieurInnen sich in der Disziplin der technischen Hermeneutik üben. Es bringt bestenfalls den TheaterautorInnen etwas, die an «Top Dogs 2.0» arbeiten, wenn die DesignerInnen mit den ManagerInnen Design-Thinking-Workshops machen. Und ich fürchte – um den Reigen zu schliessen – dass es niemanden gross beglücken würde, wenn die User Experience SpezialistInnen sich vom postdramatischen Theater inspirieren liessen. Obwohl – einen Versuch wäre es wert!
Was wir benötigen ist eine Konvergenz, in der alle ihre Expertise auf Augenhöhe einbringen können. Vielleicht aber ist dieser Wunsch eine Illusion, weil er eine Bereitschaft zur Teamarbeit voraussetzt. Vielleicht ist die vielversprechendste Lösung die, dass wir Werkzeuge bauen, die es den transdisziplinären GestalterInnen erlauben, die disziplinären Expertisen zu bündeln und zu nutzen, wie sie es möchte. Den einzelnen Menschen ins Zentrum des Designs zu stellen ist letztlich einfacher als das Team ins Zentrum zu stellen. DevOps hat zwar einen Qualitätssprung in der Zusammenarbeit innerhalb der IT und zwischen Business und IT ermöglicht, aber es ist bislang völlig unklar, wie wir damit Systeme gestalten können, deren Komplexität nicht durch ein Entkoppeln mittels Microservices gebändigt werden kann.
Mit digitalen Werkzeugen, die entweder für Individuen oder für Teams ein kohärentes multidisziplinäres Gestalten ermöglichen, kann auch die Gestaltung von soziotechnischen Ökosystemen adressiert werden, die cyberphysikalische und soziale Aspekte zusammen systemisch betrachten. Es ist Zeit, dass wir beginnen, die Konvergenz der Gestaltungsdisziplinen für cyberphysikalische Systeme und für soziotechnische Ökosysteme vorwärts zu bringen.
Die erste Societybyte-Ausgabe 2019 ist schon mal eine Mischung – vor allem aus Beiträgen zum Thema Digitalisierung und Geisteswissenschaften sowie aus Beiträgen zum Thema Smartcity. Das wäre ein Anfang fürs Konvergieren, auch wenn er sich durch Zufälle ergab. Lassen Sie uns 2019 ganz bewusst zum Jahr der Konvergenz und der Integration machen!
Herzlichst, Ihr Reinhard Riedl
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