Novemberausgabe: Wie gefährlich ist E-Health? – Von der Datenkrake zur Performance

Ist E-Health eine Gefahr für die Privatsphäre? Ja, natürlich. Bewegen wir uns in Richtung Big Brother? Ja, teilweise. Nur: Es wäre falsch von nur einer Datenkrake zu sprechen. Blickt man in die Zukunft, dann werden wir ein ganzes Ökosystem von Datenkraken im E-Health haben – eigentlich eine ganze Datenkraken-Biosphäre, in der E-Health sich untrennbar mit anderen Digitalisierungsbereichen verbindet.

Schaut man sich allerdings die Gegenwart an, so fehlen zugreifbare Daten an allen Ecken und Enden. Deshalb müssen wir sie für die Forschung Daten aus dem Ausland einkaufen. Und dort, wo potentiell hochspannende persönliche Gesundheitsdaten vorhanden sind und genutzt werden dürften, fehlen andere Mittel – nämlich Geld, Werkzeuge und Skills für die Datennutzung.

Wir wissen zwar, dass Machine Learning bei vielen abgrenzbaren ärztlichen Aufgaben die besten FachärztInnen klar schlägt und durch Mensch-Maschinen-Zusammenarbeit die Qualität der Arbeit noch weiter gesteigert werden kann, aber im regulären medizinischen Einsatz ist die Maschinenintelligenz kaum präsent. Intelligente Datenverarbeitung findet noch immer primär durch geniale numerische Tricks statt, die in die medizinischen Geräte eingebaut sind.

Das heisst, E-Health wird arm an Daten und noch ärmer an Künstlicher Intelligenz praktiziert. Ausgenommen dort, wo es direkt um Menschenleben geht, beispielsweise wenn WissenschaftlerInnen über Jahre hinweg um das Leben eines Kindes kämpfen und dafür Big Data und Simulationen nutzen. Und ausgenommen dort, wo es mittelbar um viele Menschenleben und um Milliardengewinne geht, beispielsweise in der Forschung zu häufig tödlichen Erkrankungen. Denn wo sehr viel auf dem Spiel steht, funktioniert sehr vieles sehr anders: Interdisziplinäre Zusammenarbeit und Offenheit für neue Ideen werden dann zum Glück meist ebenso eine Selbstverständlichkeit wie Investitionen in digitale Werkzeuge und in Digital Skills. Nur die Verfügbarkeit von (rechtmässig) zugreifbaren Daten bleibt auch dort oft ein Problem.

Im High-End Bereich des Gesundheitswesens zeigt sich klar, Daten bringen grossen Nutzen und sind für die Personalisierung der Gesundheitsversorgung von eminenter Bedeutung. Ihre richtige Nutzung verbessert das Gesundheitswesen. Es macht es nicht billiger, aber wirksamer und damit nicht nur effektiver, sondern auch effizienter. Und würde man die Datennutzung auf das gesamte Gesundheitswesen ausweiten, könnte man den Nutzen vervielfachen.

Es ist darum beides unanständig: Daten schlampig zu nutzen und dabei die Privatsphäre zu verletzen UND auf die Nutzung der Daten zu verzichten und deshalb die Menschen schlechter zu versorgen, als es möglich wäre und dafür auch noch mehr Geld auszugeben, als nötig wäre.

E-Health ist gefährlich, ja! Aber Krankheiten sind auch gefährlich! Wir müssen darum lernen, persönliche Gesundheitsdaten und Künstliche Intelligenz effektiv und verantwortungsbewusst zu nutzen!

Herzlichst, Ihr Reinhard Riedl

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AUTHOR: Reinhard Riedl

Prof. Dr. Reinhard Riedl ist Dozent am Institut Digital Technology Management der BFH Wirtschaft. Er engagiert sich in vielen Organisationen und ist u.a. Vizepräsident des Schweizer E-Government Symposium sowie Mitglied des Steuerungsausschuss von TA-Swiss. Zudem ist er u.a. Vorstandsmitglied von eJustice.ch, Praevenire - Verein zur Optimierung der solidarischen Gesundheitsversorgung (Österreich) und All-acad.com.

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