Septemberausgabe: Wie sieht die Infrastruktur des Vertrauens aus?
Wir wissen aus dem Geschäftsleben, dass die Bereitstellung von besonders vertrauenswürdigen Zukunftsprognosen oft kostenlos passiert und mit Aufträgen kompensiert wird, bei denen Qualität wichtiger als der Preis ist, und die nicht im Wettbewerbsverfahren vergeben werden. Ein zweistündiges Gespräch mag Millionen wert sein, aber niemand würde es akzeptieren, dass dafür Millionen gezahlt werden. Schon Summen in der Höhe von 25’000 bis 50’000 Franken für einen Business Lunch gaben und geben zu reden, sogar und insbesondere im so geschäftsaffinen Zürich. Umgekehrt ist es aber auch nicht fair, nichts dafür zu bekommen, wenn man wertvolle Hinweise gibt. Wer sein Wissen verschenkt, muss deshalb damit rechnen, als Idiot behandelt zu werden. Ganz abgesehen davon, dass Geschäftsbeziehungen, in denen gar kein Geld fliesst, zwar möglich sind, aber doch immer etwas seltsam wirken.
Trotz des speziellen Umgangs mit Vertrauenswerten im Geschäftsleben meinen viele, dass Vertrauensdienste auf der Mikroebene, beispielsweise Authentifizierungen von Personen, finanziell verkauft werden können. Die Ausgabe von eIDs (elektronischen Identitäten) sei – so eine weit verbreitete Einschätzung – ein gutes Geschäft. Wir werden sehen, ob das wirklich stimmt. Doch schon jetzt sollten sich alle Akteure bewusst sein, dass die Grundregel der Digitalisierung lautet: Irgendwann wird alles kostenlos, nur nicht zur selben Zeit! Wenn überhaupt, so wird es für digitale Vertrauensdienste nur Geschäftsmodelle auf Zeit geben. Das konventionelle Vorgehen ist natürlich, ein Monopol an kostenfreien Vertrauensdiensten aufzubauen, und mit innovativen Dienstleistungen das Geld zu verdienen, die konkurrenzfrei angeboten werden können. Damit einher gehen Abhängigkeiten, die auch den Regulierungsspielraum einschränken.
Wir müssen deshalb darüber nachdenken, wie wir eine Vertrauensdienste-Infrastruktur, die dauerhaft betreibbar ist und faire Bedingungen für alle bietet, ausschauen kann.
Ich hoffe, Sie finden die Beiträge dieser Ausgabe zum Thema Vertrauensdienste-Infrastruktur wertvoll, und es animiert Sie, sich selber in eine breite politische Diskussion zum Thema einzubringen.
Herzlichst,
Ihr Reinhard Riedl
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