Die Smart City bringt auch moralische Herausforderungen
Die smarte Stadt assoziieren die meisten mit vernetzten Gebäuden oder selbstfahrenden Bussen – eben mit Technologie. Die in ihr lebenden Menschen tauchen in Studien und Projekten bisher kaum auf. Doch eine Stadt kann nur so smart sein, wie ihre Einwohnerinnen und Einwohner. Ein Plädoyer für eine ganzheitliche Sichtweise.
«Smart City» ist in aller Munde: Politik und Wirtschaft versprechen sich eine höhere Lebensqualität, Technisch scheint, wie so oft künftig alles möglich und verfügbar zu sein. Zwar bedeutet Smart City für jeden von uns etwas anderes, aber viele assoziieren eine smarte Stadt mit vollem Service in hybriden Häusern und selbstfahrenden Autos, die sich alle teilen. Ein geteiltes Auto ersetzt acht individuelle. Parkplätze brauchen wir dann praktisch keine mehr. 2035 ist alles suffizient und effizient, der Kohlendioxid-Ausstoss reduziert und wir dank des technischen Fortschritts glücklich und zufrieden. Wir stellen uns vor, dass bis dahin das heute Unmögliche möglich geworden ist – dank effizienterer Nutzung der Ressourcen und der Analyse von Unmengen von persönlichen Daten.
Stadt ist nur so smart wie ihre Bevölkerung
Bisher wurden wir, die Menschen, die bei dieser Entwicklung zwangsläufig mitspielen und die wir diese Daten quasi als Abfallprodukt und Krümelspuren im Internet produzieren, nicht in die Debatte um die Zukunft einbezogen. Kritik an «Smart City» oder die Ahnung, dass das Unmögliche zwar möglich, aber voraussichtlich trotzdem ganz anders sein wird, ist noch leise. Fragen, wem die heutigen Nebenprodukte und Daten gehören, die einst den neuen Wirtschaftsmotor und das Kapital bedeuten werden, sind meist noch nicht gestellt worden und schon gar nicht beantwortet.
Eine Stadt ist nicht intelligent, sie ist nur so intelligent wie ihre Bewohnerinnen und Bewohner. Smart City oder die Stadt der Zukunft ist eine Frage der Resilienz. Städte stellen sich neben den technischen Entwicklungen auch noch anderen, globalen Herausforderungen:
- Wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Strukturwandel
- Treiber wie Ressourcenverknappung
- Demographischer Wandel
- Bevölkerungszunahme
- Urbanisierung
- Klimawandel.
Chancen diesen Herausforderungen zu begegnen, bietet eine städtische Daseinsfunktion mit minimiertem Ressourceneinsatz. Dies nicht nur in Bezug auf energiesparende Bauweise. Grund und Boden können auch in Zukunft nicht vermehrt werden. Unter der Prämisse der Verdichtung einerseits und des Wertewandels in der Gesellschaft (Besitz versus Verfügbarkeit) andererseits, ist dies zwingend. Das wirtschaftliche Wachstum hat zur Folge, dass sich der Wettbewerb um Raum sowie Lebens- und Wohnqualität zuspitzt. Verdichtung ist ohne namhafte Eingriffe und Veränderungen nicht zu haben. Damit Lebensqualität und städtebauliche Veränderungen sich nicht gegenseitig ausschliessen sondern aktivieren, müssen diese Eingriffe mit Respekt vor Geschichte und Bestehendem und insbesondere entlang den Bedürfnissen aller Betroffenen vorgenommen werden. Dies kann nur entlang von Beteiligung und Teilhabe gelingen. Smarte Lösungen die uns Synergiepotential zeigen und Effizienz und Suffizienz generieren sind dabei eine Bereicherung. Die Vernetzung von Daten und das Teilen von «Big data», sind von grossem Nutzen. Nicht nur zu Forschungszwecken sondern aufgrund ihres unermesslichen Potentials bilden sie auch die Basis und Chance von und für innovative nachhaltige oder eben smarte Lösungen, die es angesichts der eminenten Herausforderungen zwingend braucht.
Smarte Stadt muss komplexe Probleme lösen
Bevölkerungswachstum und gesellschaftlicher Strukturwandel erfordert jedoch auch eine smarte Gesellschaft, die fähig ist, alternative Denk-, Planungs- und Handlungsweisen zu entwickeln und umzusetzen – mit ganzheitlichen Lösungen, die bedeuten:
- Gelegenheiten zu erkennen und die Konditionen und Rahmenbedingungen für eine zukunftsweisende dynamische Entwicklung zu schaffen, was heute wichtiger ist, als eine festgeschriebene unveränderliche Lösung bereit zu haben
- das Quartier als Teil eines konkreten Entwicklungsprogrammes zu betrachten
- dass der Planungsprozess als solcher den Rahmen bildet, um top down und bottom up in Initiativen zusammenzuführen
- dass Raum- und Nutzungsstrukturen festgelegt werden, die von bisherigen und künftigen Nutzerinnen und Nutzern bespielt werden und diese zu den Produzentinnen und Produzenten des Raums machen
- dass Raumplanung als Gesellschaftspolitik wahrgenommen wird, um neue unkonventionelle Planungsprozesse anzustossen und zu moderieren.
Smart City kann nicht dem Ziel dienen, gewachsene Infrastrukturen und Bestehendes über Bord zu werfen um ein paralleles System aufzubauen. Das Postulat liegt in der Gesamtverantwortung. Smart City ist nur bedingt verantwortbar. Die Bedingung ist einerseits Bestehendes einzubinden und andererseits den Menschen und das menschliche Mass, ganz besonders den Einbezug des Menschen nie aus den Augen zu verlieren. Erste Infrastruktur bleibt der Mensch. Durchaus manchmal smart – aber auch ein emotionales und soziales Wesen, das sich nicht einfach berechnen oder digitalisieren lässt.
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