Aprilausgabe: Die Digitalisierung des Gesundheitswesens

Die Entwicklung des Gesundheitswesens wird derzeit wesentlich geprägt durch die Zielvision «personalisierte Medizin». Vorsorge, Diagnose, Therapie und Nachsorge sollen massgeschneidert werden für den Einzelnen. Das heisst, sie sollen die genetische Disposition, den Lebenswandel, das soziale Umfeld und die aktuellen Biodaten berücksichtigen und der oder dem Betroffenen die bestmögliche Versorgung bieten. Das scheitert bei uns leider oft am Nicht-nutzen-dürfen der Gesundheitsdaten. Die Angst vor der Verletzung der Privatsphäre ist diffus – und genau deshalb ist sie grösser als die Angst, wegen ungenügend personalisierter Medizin schlecht behandelt zu werden. Das liegt unter anderem auch daran, dass die Zusammenhänge rund um die Nutzung personenbezogener Gesundheitsdaten kaum diskutiert werden und selbst Experten sich mit ihrem Verständnis schwertun. Mehr Diskussion ist also dringend nötig und ich hoffe, diese Ausgabe von Societybyte wird dazu etwas beitragen.

Ein anderes wichtiges Thema ist die Nutzung von Maschinenintelligenz für die jeweils unterschiedlichen Aufgaben im Gesundheitswesen – sei es als Roboter, der den Menschen weitgehend ersetzt, sei es als hochspezialisiertes Instrument zur Reduktion von Diagnosefehlern oder zur Qualitätskontrolle von Medikamentenverordnungen. Auch hier tauchen schnell ethische Fragen auf, ebenso wie Verlustängste. Manche fürchten sich davor, ihre fachliche Autonomie als Gesundheitsfachpersonen zu verlieren oder zumindest unkonventionelle Interventionen in Zukunft ausführlich begründen zu müssen. Das hemmt den Fortschritt, vielleicht zu Recht.

Natürlich bringt die Digitalisierung auch mehr Möglichkeiten, die eigene Gesundheit selber zu managen. Aber was das wirklich bedeutet und wie man das Potential selber am besten nutzt, dass ist noch nicht ausreichend erforscht – immerhin aber ein spannendes Thema, weil fast jeder von uns mittlerweile digitale Messgeräte mit sich herumträgt.

Last but not least könnte die IT genutzt werden, um effizienter politisch zu planen im Gesundheitswesen. Doch irgendwie will das keiner. Die Digitalisierung ist gut, wenn sie den Patientinnen und Patienten hilft – aber sie stört, wenn sie zu viele Sachargumente für die Zukunftsplanung liefert. Wollen wir das wirklich weiter so handhaben? Auch hier gibt es grossen Diskussionsbedarf.

Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen mit dieser Ausgabe, Ihr Reinhard Riedl01

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AUTHOR: Reinhard Riedl

Prof. Dr. Reinhard Riedl ist Dozent am Institut Digital Technology Management der BFH Wirtschaft. Er engagiert sich in vielen Organisationen und ist u.a. Vizepräsident des Schweizer E-Government Symposium sowie Mitglied des Steuerungsausschuss von TA-Swiss. Zudem ist er u.a. Vorstandsmitglied von eJustice.ch, Praevenire - Verein zur Optimierung der solidarischen Gesundheitsversorgung (Österreich) und All-acad.com.

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