«2018 sollte die Cybersecurity unbedingt angegangen werden»

Was hat die digitale Schweiz im vergangenen Jahr am meisten beschäftigt und welche Herausforderungen kommen in diesem noch jungen Jahr auf uns zu? Dazu liefert das Schweizer ICT-Jahrbuch in seiner 15. Ausgabe Fakten, Einschätzungen und Meinungen von Branchenkennern – auch vom wissenschaftlichen Leiter des BFH-Zentrums «Digital Society» Professor Dr. Reinhard Riedl. Seine Einschätzungen sind in hier vorab zu lesen, das ICT-Jahrbuch erscheint am 28. Januar bei Netzmedien AG.

Wie hat sich E-Government im Jahr 2017 entwickelt?
Reinhard Riedl: Bedächtig, aber stetig! Das Unternehmensportal «Easygov» wurde aufgeschaltet, «eUmzug» steht in immer mehr Gemeinden zur Verfügung, es gibt mehr Daten auf den Open-Data-Portalen, und die Nutzung der Sedex-Plattform ist weiter angestiegen. Sedex ermöglicht die verwaltungsinterne sichere Kommunikation.

Prof. Dr. R. Riedl

Wie schätzen Sie die Fortschritte ein?
Das Schlüsselereignis 2017 war, dass Bundesrat Ueli Maurer die Digitalisierung der Verwaltung zur Chefsache gemacht hat und neu E-Government nicht nur fördert, sondern auch einfordert. Er unterschrieb symbolträchtig in Tallinn selbst die E-Government Declaration und bekannte sich damit zu den Prinzipien «only once» und «interoperability by default». Das geht sehr weit! Konkret wurde in der Bundesverwaltung ein E-Government-Roundtable eingeführt und im EFD eine Plattform Digitalisierung für die Wissensteilung geschaffen. Die Mitarbeitenden haben gemerkt, dass Bundesrat Ueli Maurer nachfragt und es Führung von oben gibt. Damit haben sich die Voraussetzungen wesentlich verbessert.

Was konnte beim E-Government erreicht werden?
Es gibt gute Dienste für die Einwohner, vermehrt auch für Unternehmen. Was fehlt ist eine strategische Roadmap, die mehr als nur Aufgaben definiert. Eine solche Roadmap sollte die Wertgenerierung in den Vordergrund stellen und den Aufbaucharakter der Vorhaben verständlich machen. Sie sollte die Ziele aus Ergebnisperspektive festlegen und jeweils zeitlich terminieren, damit ein Reporting möglich wird. Eine zentrale Rolle bei dieser Roadmap müsste die derzeit grösste Baustelle spielen, das ist die Datenlandschaft. Daten werden redundant gehalten, sind oft falsch oder fehlen im strategischen Bereich ganz. Leadership heisst hier, verständliche visionäre Architekturperspektiven zu formulieren, die belastbar sind, weil sie die grossen Probleme lösen.

Was erwarten Sie im Jahr 2018?
Die vorgezogene Formulierung einer neuen E-Government-Strategie wird die Tallinn Declaration für die Schweiz konkretisieren. Zudem erwarte ich aus den Städten positive Signale, möglichst auch in Richtung Zusammenarbeit mit den Regionen. Ein Thema, das unbedingt angegangen werden sollte, ist die Cybersecurity! Man kann KMUs und Gemeinden mit den Bedrohungen nicht allein lassen. Die grosse Herausforderung wird der Wissensaufbau für die absehbaren Regulierungen im digitalen Binnenmarkt sein.

Was erhoffen Sie sich von der E-ID?
Bei der E-ID ist E-Government nicht das Ziel, sondern das Mittel zum Zweck, sie populär zu machen. Denn im Kern geht es darum, die Infrastruktur für die digitale Wirtschaft aufzubauen und Schweizer Unternehmen und Einwohnern die Teilnahme am entstehenden digitalen Binnenmarkt in Europa zu ermöglichen. Ausserdem geht es um Rechtsvorstellungen: Aus europäischer Sicht bestimmt der Bürger über seinen Auftritt in der digitalen Welt und bekommt dafür vom Staat einen global gültigen Ausweis analog zum Pass. Aus amerikanischer und chinesischer Sicht braucht es das nicht, weil die Identität auch aus Datenspuren abgeleitet werden kann, und für Onlinegeschäfte Identitäten auch von Unternehmen ausgegeben werden können.

Creative Commons Licence

AUTHOR: Anne-Careen Stoltze

Anne-Careen Stoltze ist Redaktorin des Wissenschaftsmagazins SocietyByte und Host des Podcasts "Let's Talk Business". Sie arbeitet in der Kommunikation der BFH Wirtschaft, sie ist Journalistin und Geologin.

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Wie hat sich E-Government im Jahr 2017 entwickelt?
Reinhard Riedl: Bedächtig, aber stetig! Das Unternehmensportal «Easygov» wurde aufgeschaltet, «eUmzug» steht in immer mehr Gemeinden zur Verfügung, es gibt mehr Daten auf den Open-Data-Portalen, und die Nutzung der Sedex-Plattform ist weiter angestiegen. Sedex ermöglicht die verwaltungsinterne sichere Kommunikation.

Prof. Dr. R. Riedl

Wie schätzen Sie die Fortschritte ein?
Das Schlüsselereignis 2017 war, dass Bundesrat Ueli Maurer die Digitalisierung der Verwaltung zur Chefsache gemacht hat und neu E-Government nicht nur fördert, sondern auch einfordert. Er unterschrieb symbolträchtig in Tallinn selbst die E-Government Declaration und bekannte sich damit zu den Prinzipien «only once» und «interoperability by default». Das geht sehr weit! Konkret wurde in der Bundesverwaltung ein E-Government-Roundtable eingeführt und im EFD eine Plattform Digitalisierung für die Wissensteilung geschaffen. Die Mitarbeitenden haben gemerkt, dass Bundesrat Ueli Maurer nachfragt und es Führung von oben gibt. Damit haben sich die Voraussetzungen wesentlich verbessert.

Was konnte beim E-Government erreicht werden?
Es gibt gute Dienste für die Einwohner, vermehrt auch für Unternehmen. Was fehlt ist eine strategische Roadmap, die mehr als nur Aufgaben definiert. Eine solche Roadmap sollte die Wertgenerierung in den Vordergrund stellen und den Aufbaucharakter der Vorhaben verständlich machen. Sie sollte die Ziele aus Ergebnisperspektive festlegen und jeweils zeitlich terminieren, damit ein Reporting möglich wird. Eine zentrale Rolle bei dieser Roadmap müsste die derzeit grösste Baustelle spielen, das ist die Datenlandschaft. Daten werden redundant gehalten, sind oft falsch oder fehlen im strategischen Bereich ganz. Leadership heisst hier, verständliche visionäre Architekturperspektiven zu formulieren, die belastbar sind, weil sie die grossen Probleme lösen.

Was erwarten Sie im Jahr 2018?
Die vorgezogene Formulierung einer neuen E-Government-Strategie wird die Tallinn Declaration für die Schweiz konkretisieren. Zudem erwarte ich aus den Städten positive Signale, möglichst auch in Richtung Zusammenarbeit mit den Regionen. Ein Thema, das unbedingt angegangen werden sollte, ist die Cybersecurity! Man kann KMUs und Gemeinden mit den Bedrohungen nicht allein lassen. Die grosse Herausforderung wird der Wissensaufbau für die absehbaren Regulierungen im digitalen Binnenmarkt sein.

Was erhoffen Sie sich von der E-ID?
Bei der E-ID ist E-Government nicht das Ziel, sondern das Mittel zum Zweck, sie populär zu machen. Denn im Kern geht es darum, die Infrastruktur für die digitale Wirtschaft aufzubauen und Schweizer Unternehmen und Einwohnern die Teilnahme am entstehenden digitalen Binnenmarkt in Europa zu ermöglichen. Ausserdem geht es um Rechtsvorstellungen: Aus europäischer Sicht bestimmt der Bürger über seinen Auftritt in der digitalen Welt und bekommt dafür vom Staat einen global gültigen Ausweis analog zum Pass. Aus amerikanischer und chinesischer Sicht braucht es das nicht, weil die Identität auch aus Datenspuren abgeleitet werden kann, und für Onlinegeschäfte Identitäten auch von Unternehmen ausgegeben werden können.

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