Attraktive Siedlungsentwicklung als Teil einer Smart City

In smarten Quartieren steht nicht nur die Technologie im Zentrum, sondern auch die Kultur und Berücksichtigung qualitativer Siedlungsentwicklung. Das Kompetenzzentrum Dencity der Berner Fachhochschule beschäftigt sich mit attraktiver Siedlungsentwicklung und zeigt am Beispiel des zukünftigen Campus Biel (Projekt eSmarQ) auf, was ein Smartes Quartier ausmacht.

Emotionales Smartes Quartier
Der Handlungsdruck in der inneren Entwicklung von Gemeinden und Städten, ausgelöst durch das revidierte Raumplanungsgesetz, hat in der Schweiz die Diskussion über Smart-Cities etwas in den Hintergrund gerückt. Der Siedlungsraum Schweiz ist facettenreich, chaotisch und eher kleinräumig gedacht. Die Raumplanung verkörpert eine bestimmte Sichtweise auf gesellschaftliche und strukturelle Problemlagen, die einen spezifischen Lösungsansatz implizieren: Durch systematische Intervention und umfassende Planung und Ordnung sollte das Zusammenleben der Gesellschaft aktiv gestaltet werden. Es zeigt sich, dass dabei aktuell die bisherigen Werkzeuge an ihre Grenzen stossen. Die Stellschrauben der Raumplanung im Rahmen Bau- und Nutzungsordnung werden kurzfristig überholt sein oder nicht mehr funktionieren. Die Umsetzung des revidierten Raumplanungsgesetztes bedeutet einen Paradigmawechsel.

Die Weichen wurden von einer bislang nachfrageorientierten Raumplanung hin zu einer koordinierten nachhaltigen Allokation des Bodens und des Raumes gestellt. Eigentlicher Kern der Herausforderung ist; Innenentwicklung findet immer dort statt, wo schon jemand ist, jemand mit Vorstellungen, Zielen und insbesondere Emotionen – emotionaler smarter Raum. In der aktuellen städtebaulichen Diskussion geht es meist nur um die bauliche Dichte. Sie macht lediglich eine Aussage über die Privatparzellen, nicht über die öffentlichen Aussenräume oder über ganze Quartiere. Hier knüpft Dencity an.

Auch der Kompetenzbereich Dencity (www.dencity.ch), Urbane Entwicklung und Mobilität im Institut Siedlungsentwicklung und Infrastruktur der Berner Fachhochschule, sieht seinen Schwerpunkt in der qualitativen Innenentwicklung und Verdichtung von Siedlungsstrukturen. Dencity versucht aber die Raumplanung zu erweitern, indem sie Emotionen vor allem in öffentlichen Aussenräumen und Quartieren berücksichtigen und dadurch zur Entwicklung smarter Quartiere beitragen.

Denn auch innere Verdichtung muss die qualitativen Aspekte des Zusammenlebens, des Sozialraumes, berücksichtigen. Identität ist ein Schlüsselwort. Das Smart City Konzept, wie europaweit und schweizweit definiert bietet hier eine Chance, kulturelle Entwicklungen und Technologiefolgeentwicklung mit qualitativer Siedlungsentwicklung zu verknüpfen.

Nutzungskoordination Campus Quartier Biel-Nidau
Dencity nutzt diesen Ansatz in einem Pilotprojekt in Biel. Was für eine Identität kann sich im zukünftigen Quartier um den neuen Campus BFH in Biel entwickeln?

Zwischen dem Bahnhof Biel/Bienne und dem Gebiet Seemätteli/Strandbad Nidau wird in den nächsten 20 Jahren ein neues Stadtquartier entstehen. Die Stadtentwicklung in diesem Gebiet ist geprägt von drei grossen Neubauprojekten:

  • Neubau Campus Berner Fachhochschule
  • Neubau Switzerland Innovation Park
  • Neubau Seequartier AGGLOlac

Es ergeben sich verschiedene Synergiepotentiale für die Planung und den Bau der Neubauprojekte, aber auch für die bereits vor Ort ansässigen Stakeholder. In einer ersten Sondierung hat sich gezeigt, dass einige urbanistische Schlüsselfragen für mehrere Anspruchsgruppen Gültigkeit haben und koordiniert untersucht und bearbeitet werden sollten. Innerhalb des Projektperimeters ist ein enormes Potenzial für einen ganzheitlichen smarten Ansatz vorhanden. Es besteht die Chance, die sich verändernde Siedlungsstruktur und den neuen Stadtteil interdisziplinär und parzellenübergreifend als Ganzes zu denken und zu planen. Es wurde deshalb über den Zeitraum von zwei Jahren ein Runder Tisch für eine Nutzerkoordination initiiert, um Synergiepotentiale zu definieren:

  • Öffentlicher Raum
  • Mobilität, Energie
  • Dienstleistungen
  • Infrastruktur
  • Betrieb

Aus diesen Koordinationsaufgaben werden ab nächstem Jahr thematische Workshops initiiert und moderiert.

eSmarQ – Smart City Stadtlabor – Planen des Ungeplanten
Parallel dazu soll das neue Campus Quartier in Biel als Prototyp genutzt werden, um neue Formen der sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Interaktion, die durch die Technologiefolgeentwicklung in der ICT möglich werden, aufzuzeigen. Das Campus Quartier soll zu einem «Laborquartier» der BFH, resp. der Stadt Biel werden, in welchem immer wieder neue Lösungen und Interpretationen der Gestaltung des Quartiers, der Nutzung und des Zusammenlebens im Quartier erarbeitet werden.

Dencity hat deshalb das Projekt eSmarQ – „smartes Quartier“ – lanciert, welches über die Analyse von Nutzer- und Konsumverhalten der Bewohner, Studierenden und Besucher im Quartier einen emotionalen Mehrwert und eine Identitäts-Stiftung für das neue Quartier generieren soll. Es soll eine interaktive digitale Plattform zur Planung, Koordination und Optimierung von Nutzungs- und Angebotssynergien der Realwelt zwischen Anspruchsgruppen im Quartier entwickelt werden. Es besteht ein Bedarf nach Infrastrukturkoordination, welche als strukturiertes „Menu“ über eine Plattform, vereinfacht als App beschreibbar, den Nutzern angeboten werden soll. eSmarQ koppelt Industrie 4.0 mit Smart City Kompetenz und generiert neue Kompetenzen (Emotionalität, Identität, Netzwerke) mit der methodischen Filterung von kontextuellen Daten, sowie deren Visualisierung und Verortung zuhanden einer realräumlichen Anwendung in Biel.

Creative Commons Licence

AUTHOR: Joachim Huber

Projektleiter SCCER Mobility, Dencity BFH-AHB

AUTHOR: Christine Seidler

Von der Medizin, zur Gewandmeisterin an Oper und Theater, über die Politik in die Raumplanung zum Städtebau mit einer knietiefen Schlaufe in die Ökonomie, angelangt an der Fachhochschule Graubünden als Dozentin im Institut für Bauen im alpinen Raum (IBAR). Von 2017 bis 2019 hatte Christine Seidler die Co-Leitung des Kompetenzbereichs Dencity an der Berner Fachhochschule BFH inne.

AUTHOR: William Fuhrer

Projektverantwortlicher Nutzungskoordination Biel-Nidau, Co-Leiter Dencity BFH-AHB

AUTHOR: Simon Gilgen

Projektleiter Nutzungskoordination Biel-Nidau, Dencity BFH-AHB

Create PDF

Ähnliche Beiträge

Es wurden leider keine ähnlichen Beiträge gefunden.

0 Kommentare

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert