Wenn Daten einen zweiten Frühling erleben

Wissen wurde früher von Mund-zu-Mund oder durch das geschriebene Wort weitergegeben. Heute passiert das immer mehr digital und «Open Data“ ist die Philosophie, mit der es zugänglich gemacht wird. Am «Open Cultural Data Hackathon» in Lausanne zeigten Hacker und Institutionen, wie sich Kulturdaten in spannende Anwendungen verwandeln lassen.

Konzentriert beugen sich Menschen über ihre Laptops. Zweiertische sind zusammengeschoben und von braunen Plastikstühlen umringt. Es wird viel Englisch gesprochen an diesem Tag. Die Universität Lausanne ist vom 15. -16. September 2017 Austragungsort des «Open Cultural Data Hackathons» gewesen, an dem sich Informatiker aus allen Ecken der Schweiz mit Vertretern von Kulturinstitutionen getroffen haben, um gemeinsam Datenträger öffentlich, gratis und sortiert online zur Verfügung zu stellen.

Ideenwand

Museen, Archive, Galerien stellten ihre  Daten zur Verfügung und auch Theater – wie diesjährig das Schauspielhaus Zürich. Eine gemischte Truppe mit unterschiedlichen Sprachen, Vorwissen und Rohdaten. Aber alle mit dem gleichen Ziel: Open Data im Kulturbereich voranzutreiben.

Berner Fachhochschule als Triebfeder

Auch Beat Estermann ist an diesem Wochenende vor Ort. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am E-Government-Institut und stellvertretender Leiter des Schwerpunkts «Open & Linked Data» an der Berner Fachhochschule. Er koordiniert den Kultur-Hackathon und kennt viele der Teilnehmer. Das spürt man an der fast familiären Atmosphäre vor Ort. Der «Open Cultural Data Hackathon» findet zum dritten Mal an wechselnden Orten statt. Estermann forscht im Themenbereich Open Data und OpenGLAM. OpenGLAM ist eine Initiative, die es sich zum Ziel gemacht hat, dass Open Data und Crowdsourcing in Gedächtnisinstitutionen gefördert wird. Ein Teil dieses Efforts manifestierte sich am diesjährigen «Open Cultural Data Hackathon» Lausanne.

Zwei starke Beispiele

Während zwei Tagen konnten sich die rund 100 TeilnehmerInnen an Datensätzen austoben. Am Anfang des Hackathons stand die Präsentation der von den Institutionen zur Verfügung gestellten Datensätzen. Ziel war es Stakeholder wie an einer Tauschbörse zusammenzubringen: Daten gegen Wissen. Interessierte Hacker konnten sich einer Projektgruppe anschliessen und während zwei Tagen an den besagten, zusammengeschobenen Tischen hacken. Wer zwischendurch einen Input wünschte, konnte sich an einem der Side-Event inspirieren lassen und etwas dazulernen. Am letzten Abend wurden die Projekte in der Gruppe vorgestellt.

Entwickelt Games: David Stark

Einer dieser Hacker ist der 33-jährige David Stark aus Zürich, ein professioneller Game-Entwickler. Hacker ist ein Wort, welches kurz aufhorchen lässt. «Hacker ist linguistisch ein negativ besetzter Begriff», erklärt Stark. Aber eigentlich heisse «to hack» so etwas wie basteln. Mit dem Ziel, eine Lösung für ein bestehendes Problem zu finden.

Er ist von Anfang an mit dabei am «Open Cultural Data Hackathon». Insgesamt ist es in etwa sein zehnter Hackathon und ihm gefällt der spielerische Ansatz: «Ein Hackathon ist wie eine Blase aus Software und Algorithmen, in der man sich während einer beschränkten Zeit befindet», so Stark. Er schätze es zudem, dass man sich auch anderen Themenfeldern zuwenden kann, wenn der Zenit einer Idee erreicht ist.

Das Projekt, an dem er mitgearbeitet hat, heisst «Swiss Video Games Directory». Eine Datenbank mit bislang 216 Datensätzen mit Informationen zu allen bislang entwickelten Video-Games in der Schweiz. Er hat die Rohdaten mit verschiedenen Eckdaten in einem Google-Spread-Sheet eingetragen. Danach wurden diese Daten automatisch online in einer Liste mit Videovorschau visualisiert. Sein Ziel? «Wir wollen in der Projektgruppe Informationen zu den bislang erschienenen Video-Games aus der Schweiz konservieren und archivieren». Damit ein Stück Pop-Kultur – das Videospiele inzwischen sind – nicht verloren geht.

Roxanne Fuschetto ist Kunsthistorikerin.

Auch Roxanne Fuschetto hat am «Open Cultural Data Hackathon» teilgenommen. Die studierte Kunsthistorikerin arbeitet am Institut für Medizingeschichte an der Universität Lausanne und gehört zur Gruppe der Datenprovider. Für den Hackathon erstellte sie in einem Team aus dem Archiv des Instituts eine Bibliografie der Bücher über die Objekte –  die «Medical History Collection»

Das Team, in dem Fuschetto zwei Tage zusammen gearbeitet hat, ist zufrieden mit dem Ergebnis. «Bislang war die Liste der Objekte nirgends digitalisiert». Sie sei positiv überrascht über den neu gewonnenen Überblick. Inwiefern das Institut an der Liste weiterarbeiten wird, ist noch nicht klar. Aber der erste Schritt, das erste Verständnis und die erste Liste seien gemacht.

Nächstes Mal im Landesmuseum

Beat Estermann hofft, dass künftig noch mehr Institutionen ihre Datensätze freigeben. Dieses Jahr sind die Teilnehmerzahlen noch in etwa gleichbleibend im Vergleich zu den vorangegangenen Kultur-Hackathons. Der Hackathon im nächsten Jahr hat den Fokus Museen und findet passend dazu im Landesmuseum Zürich statt, dem meistbesuchten kulturhistorischen Museum der Schweiz.

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AUTHOR: Biljana Jovic

Biljana Jovic ist freie Journalistin in Zürich.

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