Der Unterschied zwischen Schweizer E-Government und Spitzenfussball – Ausgabe September 2017

Nein, es ist keine Scherzfrage: Was unterscheidet das Schweizer E-Government von Spitzenfussball? Zugelassen sind mehrere Antworten. Und geben tut es viele, die Sinn machen.

Offensichtlich liegt ein grosser Unterschied in der Einstellung zum Personal. Im Spitzenfussball ist Qualität der Spieler ein Dauerthema, während im Schweizer E-Government sich kaum eine/r ernsthaft die Frage stellt, was einen Topspezialisten auszeichnet. Bewertungen der Leistung der letzten Woche scheinen geradezu unvorstellbar – obwohl in immer mehr Bereichen agil gearbeitet wird, an manchen Orten sogar mit Wochenzyklen.

Ausserdem: Während im Spitzenfussball allen klar ist, dass unterschiedliche Coaches sehr unterschiedliche Herangehensweisen an ihre Arbeit pflegen, ist das im E-Government kaum jemals ein Thema – ganz zu schweigen von der unausrottbaren Überzeugung, dass man ohne Erfahrung kein guter Projektleiter sein kann, weshalb es sozusagen einfacher ist, Trainer eines Weltklasseteams zu werden (und die Champions League zu gewinnen), als die Leitung eines kleinen E-Government Projekts übertragen zu bekommen.

Die Liste der Unterschiede ist natürlich viel länger. Die oben gestellte Frage ist aber insofern nicht ganz fair als es für IT-Projekte de facto ein ähnliches Klassensystem gibt wie für den Fussball. Im Fussball wissen wir, dass die Wertvorstellungen bei Champions League Vereinen, bei normalen Erstligavereinen, bei Zweiligisten, sowie bei Vereinen unterer regionaler Ligen sehr unterschiedliche sind. Champions League Vereine müssen Superstars integrieren, die in der zweiten Liga wegen unmoralischem Verhalten nicht akzeptiert würden. Erstligavereine müssen Talente entwickeln, wofür in unteren Klassen keine Ressourcen existieren. Et cetera. Zuerst sollten wir uns deshalb fragen, in welcher Klasse wir den mit nationalen E-Government Projekten spielen wollen. Vielleicht stellen wir dann fest, dass alles doch sehr gut passt.

Doch einen Unterschied sollte man trotzdem nicht unterschlagen: die Erfolgsbeurteilung. Während im Spitzenfussball nicht nur die Endergebnisse zählen, sondern akribisch zahllose Messdaten über den Spielverlauf erhoben und ausgewertet werden, ist die Erfolgsmessung im Schweizer E-Government so anspruchslos, dass es praktisch nur erfolgreiche Projekte gibt. Darüber hinaus bleibt das Projektmonitoring meist im unverbindlich Abstrakten und verwendet allenfalls ein Ampelsystem. Detaillierte Erhebungen fehlen weitgehend. Deshalb gibt es auch kaum empirische Erkenntnisse, was in welcher Situation zu tun ist.

Diese Ausgabe versucht hier einen ersten Schritt zu tun und sich der Erfolgsbeurteilung anzunähern. Weil dies ein langer Weg ist, haben wir nicht den Anspruch, das Ziel zu erreichen. Wir wollen uns nur auf den richtigen Weg machen. Ich wünsche Ihnen ein bereicherndes Studium dieser Ausgabe und freue mich auf Ihr Feedback, Ihr Reinhard Riedl.

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AUTHOR: Reinhard Riedl

Prof. Dr. Reinhard Riedl ist Dozent am Institut Digital Technology Management der BFH Wirtschaft. Er engagiert sich in vielen Organisationen und ist u.a. Vizepräsident des Schweizer E-Government Symposium sowie Mitglied des Steuerungsausschuss von TA-Swiss. Zudem ist er u.a. Vorstandsmitglied von eJustice.ch, Praevenire - Verein zur Optimierung der solidarischen Gesundheitsversorgung (Österreich) und All-acad.com.

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