Vortrag digitale Transformation La Werkstadt

In der Digitalisierung sehen Junge vor allem Chancen, für ältere Menschen stehen dagegen eher die Risiken im Vordergrund. Dieses Bild zeichnete sich ab bei der angeregten Publikumsdebatte „Inmitten der digitalen Transformation: Wie Airbnb, Uber und Co. Wirtschaft und Gesellschaft verändern“. Eingeladen hatte zu der Veranstaltung die Berner Fachhochschule am 24. April auf der Vortragstour zum 20-Jahr-Jubiläum diesmal ins Bieler Ideenhaus «La Werkstadt».

Reinhard Riedl sprach in seinem Eröffnungsvortrag über die möglichen Folgen der digitalen Transformation, ausgehend von den ersten konkreten Erfahrungen mit der Sharing Economy. Der Leiter des Zentrums Digital Society rief dazu auf, diese Phänomene besser zu verstehen, bevor die Politik voreilig reguliert.

Reinhard Riedl, BFH-Zentrum Digital Society

Das Wissen über die Digitalisierung sei aktuell beschränkt, sodass in der Öffentlichkeit häufig die grossartigen Erfolgsstories des freien Taxiunternehmens Uber und der Privatzimmervermittlung Airbnb oder dann Horrorszenarien wie zur Prekarisierung der Arbeit oder zum Missbrauch der Privatsphäre herumgereicht werden . Riedls Ausführungen zur Sharing Economy, aber auch die weiterführenden Thesen zur Digitalisierung zeigten an diesem Abend klar, dass Diskussionsbedarf herrscht. Dem Publikum standen Beatrice Merlach, Geschäftsführerin der Beratungsfirma Kasei und Beni Hirt, CEO und Gründer des Bieler Medtech-Joint-Ventures Decomplix Rede und Antwort.

Transparenz und Preisdiskriminierung

Plattformökonomien gelingen gemäss Riedl, wenn die «Tausch»-Transaktion wenig kostet und ihre Qualität digital abgebildet werden kann. Würden diese beiden Kriterien eingehalten, könne jeder und jede eine Plattform erfolgreich selber bauen und rasch die globale Marktführerschaft erwerben. Ein Gast wollte explizit darauf hinweisen, dass zusätzlich das Kriterium des Vertrauens in der Plattformwirtschaft gelöst werden müsse. Nur wenn man sich gegenseitig vertrauen kann, würden private Güter und Dienstleistungen wie Wohnraum, Autos oder Dienstleistungen geteilt. Was die bekannten Sharing-Plattformen ausmachen, ist die (fast) totale Transparenz, welche das Teilen mittlerweile global erleichtert, ohne dass Anbietende und Kundschaft sich gegenseitig kennen im Sinne «analoger» Beziehungen.

Beatrice Merlach, Kasei

Dies führte schliesslich zur intensiv diskutierten These, wonach die Transparenz neue ethische, rechtliche und politische Fragen aufwerfe. So wäre es laut Riedl denkbar, dass Angestellte in Zukunft in einem Bewerbungsprozess freiwillig ihr Genom offenlegen mit der Message: «Schau her, ich bin gesund!» Im Bereich der Versicherungen könnte Transparenz zu einer totalen Individualisierung der Prämien führen, und damit zu einer gesellschaftlichen Entsolidarisierung. Genau diese gesellschaftlichen Auswirkungen wurden vom Publikum vehement angemahnt. Wo bleibt die Errungenschaft «Gesellschaft» angesichts der persönlichen Transparenz? Wenn der Markt in Zukunft individuelle Preise festlegt, werden risikobehaftete Konsumenten auf der Strecke bleiben.

Mindset-Change ja, aber auch Coaching

Dass die Digitalisierung zu mehr Transparenz führt, wurde auch von den Podiumsgästen und vom Publikum nicht in Frage gestellt. Aber ist diese Transparenz auch gut? Sie führe zur Machtbeschränkung des Chefs, meinte etwa Hirt, Absolvent der BFH.

Beni Hirt, Decomplix

Unternehmensberaterin Merlach betonte ebenfalls die Chancen. Transparenz stelle etwa das Verhältnis zwischen Arzt und Patient auf eine neue Grundlage. Im Management sei ein Change im Mindset angebracht, Offenheit sei in Zukunft gefragt, Persönlichkeiten würden sich gegenüber Machtmenschen durchsetzen. Vom Publikum wurde kritisch gefragt, wie denn schlecht qualifizierte und ältere Arbeitnehmende die Digitalisierung meistern könnten, ein Mindset-Change sei doch nur eine zynisches Angebot. Riedl forderte für alle – auch für gut ausgebildete Ingenieure – die Bereitschaft zum Coaching. Die Unternehmen dürften die Menschen nicht allein lassen. Die Skepsis überwog an diesem Debattenabend bei den älteren Votanten, die jüngeren Gäste strömten unter Verweis auf die Wirtschaftsgeschichte grossen Zukunftsoptimismus aus, ganz im Sinne der Moderatorin, Valérie Vuillerat, welche die positiven Seiten der Digitalisierung in den Vordergrund stellte.

 

Vortrag digitale Transformation La Werkstadt

Interview mit Reinhard Riedl in der Berner Zeitung vom 19. April 2017

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AUTHOR: Thomas Gees

Dr. Thomas Gees ist Dozent am Institut Public Sector Transformation an der BFH Wirtschaft. Der promovierte Historiker leitet die Fachgruppe «Public Sector Innovation», die den öffentlichen Sektor bei strategischen Fragestellungen der Digitalisierung und des organisationalen Wandels sowie zu digital Skills begleitet.

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