Governance einer erfolgreichen Smart City – Ein Multi-Stakeholder-Ansatz ist entscheidend

Der Begriff der Smart City ist in aller Munde, auch in der Schweiz bezeichnen sich viele Städte als „smart“. Was dabei bisher aber nur wenig betrachtet wurde, ist, welche Veränderungen in der Governance in Smart Cities erforderlich sind. In einer Smart City arbeiten staatliche, halbstaatliche und private Organisationen zusammen und orchestrieren ihre Dienstleistungen. Um das Management solcher Verbünde zu leisten, sind neue, über die rein behördliche Governance-Struktur hinausgehende Governance-Mechanismen angezeigt.

Gemäss der Definition der ITU ist eine Smart City eine innovative Stadt, welche Informations- und Kommunikationstechnologien nutzt, um die Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner, die Effizienz von Abläufen und Dienstleistungen und ganz generell die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen sowie dabei auch die Bedürfnisse heutiger und künftiger Generationen bezüglich wirtschaftlicher, sozialer, ökologischer und kultureller Aspekte berücksichtigt (vgl. ITU-T 2016, S.1). Wie kann das erreicht werden, insbesondere wenn man in Betracht zieht, dass in einer Stadt viele Akteure mit unterschiedlichen Interessen zusammenkommen? Zu diesen Stakeholdern gehören neben den verschiedenen Gremien von Exekutive, Legislative und Judikative auch private Unternehmen sowie der einzelne Bürger oder die einzelne Bürgerin, entweder als Individuum oder organisiert in Vereinen, Verbänden, Parteien und sonstigen Interessengruppen.

Auch wenn schon heute verschiedene Stakeholder in einer Stadt zusammenarbeiten, wird dies für eine Smart City zur unabdingbaren Notwendigkeit. Ansonsten ist die Entwicklung zu einer Smart City weder technisch realisierbar noch durch die öffentliche Hand allein finanzierbar. Ausserdem kann so eher gewährleistet werden, dass die angebotenen Dienste wirklich den Bedürfnissen der Bevölkerung entsprechen. Diese Notwendigkeit zur Zusammenarbeit und zur Etablierung von sogenannten Public Private Partnerships (PPP) ist wohl der Hauptunterschied bezüglich der Governance einer Smart City im Vergleich zur herkömmlichen Stadt mit ihrer Regierung, deren Verwaltung und dem Parlament. Auch kann die Initiative und das Engagement Einzelner durch die Stadt als Ganzes genutzt werden. Ein schönes Beispiel dafür liefert „The Things Network“: Enthusiasten bauen eine Infrastruktur für das Internet der Dinge auf. Amsterdam konnte in nur sechs Monaten komplett abgedeckt werden, und weltweit sind viele lokale Gruppierungen daran, ihre Stadt ebenfalls in dieses Netzwerk einzubinden, so auch in Zürich oder Biel. Ein solcher Bottom-up-Ansatz liefert dabei oft schneller zuverlässige Resultate als der traditionelle Top-downAnsatz. Des Weiteren ist eine interregionale Zusammenarbeit wichtig; die Smart City wird somit zur Smart Region, wie z.B. auch schon der Verein „Hauptstadtregion Schweiz“ erkannt hat, indem er die Region explizit in die Definition der Smart City eingeschlossen hat.

Das Vorherrschen von PPP-Modellen in Smart Cities wird auch durch Studien gestützt. So haben Casbarra et al. (2014) in einer umfassenden Studie sechs führende Smart Cities in Europa untersucht: Alle – Amsterdam, Barcelona, Kopenhagen, Helsinki, Manchester und Wien – wenden ein PPP-Governance-Modell an, wenn auch in unterschiedlichen Formen. Insbesondere zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen erweist sich eine solche Kooperation als zielführend. Verschiedene Privatunternehmen sind darin für die ökologische Nachhaltigkeit verantwortlich, indem sie entsprechende Anwendungen und Technologien entwickeln, Beratungsfirmen kümmern sich um die ökonomische Nachhaltigkeit und öffentliche Einrichtungen wie Verwaltungen und Universitäten sorgen für soziale und kulturelle Nachhaltigkeit.

In einer Studie zuhanden der Europäischen Kommission zur Smart-City-Thematik haben Manville et al. (2014) eine Vielzahl von Empfehlungen zur Smart-City-Governance an die Europäische Union erarbeitet, welche auch die Wichtigkeit eines Multi-Stakeholder-Ansatzes unterstreichen. Diese lauten u.a. wie folgt:

  • Empfehlung 3A: Die Kommission sollte eine Plattform unterstützen, mit Broker-Services und Intermediärsfunktionen basierend auf Smart-City-Netzwerken. Das kann helfen, die Führung auf Ziele auszurichten, ein Multi-Stakeholder-Management zu ermöglichen und ein Repository von Business Plänen finanziell oder sonst wie zu unterstützen, Fallstudien zu Governance-Best-Practices, etc.
  • Empfehlung 3B: Verwaltung und Geschäftsinfrastruktur-Provider sollten sicherstellen, dass Smart-City-Initiativen privilegiert sind und bleiben existierende Infrastrukturen zu nutzen. Geschäftsmodell-Innovation kann stimuliert werden durch die Versorgung der Smart-City-Initiativen mit dem Zugang zur nötigen Infrastruktur und Services, insbesondere, wenn diese im öffentlichen Besitz sind oder vom öffentlichen Sektor kontrolliert werden. Diese Infrastrukturen können breit interpretiert werden als Einschlussmöglichkeit generischer und rekonfigurierbarer Services (z.B. des Bereichs Telekommunikation, Energie Services, etc.). Cloud-basierter Speicher, Datenverarbeitungs- und Speichermöglichkeiten, etc.
  • Empfehlung 3C: Smart City Unterstützungs- und Leistungserbringer sollten auf einer Multi-Stakeholder-Governance beharren mit Vertretungen der Nutzer und mittels integrierter Projektteams agieren. Private Firmen könnten dazu neigen proprietäre Lösungen oder geschlossene Architekturen zu initialisieren. Das kann dazu führen dass Verluste und ökonomische Verschlechterungen entstehen, insbesondere können auch Schwierigkeiten bei der Skalierung von Angeboten in weitere Kontexte auftreten. Zu priorisieren sind hier Multi-Stakeholder-Modelle kooperativer Art oder auch Private Public Partnerships. Dadurch kann Auswüchsen aufgrund zu stark auf privatwirtschaftlich bedingten Anreizen vorgebeugt werden.
  • Empfehlung 3D: Smart Cities und andere Stakeholder sollten industrie-geführte PPP’s respektive Konsortien ermöglichen: Unausbalancierte Machtgefüge zwischen öffentlichen und privaten Einheiten können die Entwicklung und den Roll-out von Smart-City-Lösungen erschweren. Diesbezüglich, und um die öffentlichen Kosten zu reduzieren, sollten PPP’s die präferierte Organisationsform und die Art der Zusammenarbeiten in Smart Cities darstellen. Zugleich sollte das Potenzial für Marktverzerrungen und -Übernahmen dadurch minimiert werden, dass die Einschließung der Repräsentanten von Regulatory Bodies in das Konsortium und das entsprechende Governance-Gremium ermöglicht wird (oder Einschluss in den entsprechenden Body oder ins das entsprechende Governance-Gremium etwa von sich bekämpfenden (Markt-)Teilnehmern oder Stakeholdern).

Zur Umsetzung dieser Empfehlungen sind verschiedene Forschungsgruppen aktiv. So entwickelt das Horizon 2020 Projekt CPaaS.io unter Führung der Berner Fachhochschule eben eine Plattform, die als Basis für eine urbane Dateninfrastruktur dienen kann. Privatunternehmen wie auch Verwaltungen können über die Plattform auf Daten aus unterschiedlichen Quellen – offene Behördendaten, Internet der Dinge etc. – zugreifen und damit neue Services erstellen. Eine solche Dateninfrastruktur deckt somit die technischen Aspekte ab, wie sie in Empfehlung 3A gefordert werden.


Anmerkung
Dieser Beitrag ist eine stark gekürzte Fassung eines kürzlich in einem Herausgeberband der Zeitschrift HMD – Praxis der Wirtschaftsinformatik – zum Thema Smart City publizierten Artikels der Autoren (Walser und Haller, 2016). Darin wird auch vertieft auf konkrete Modelle eingegangen, wie dem vom British Standards Institution (BSI) entwickelten Strukturmodell für Smart Cities sowie in der Schweiz auf den für den vorliegenden Sachverhalt relevanten eCH-Standard eCH-0169.


Danksagung

Das Projekt CPaaS.io wird finanziert durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der Europäischen Union (Grant Agreement n° 723076) sowie durch das NICT in Japan (Management Number 18302).


Literaturverzeichnis
Casbarra C, Amitrano CC, Alfano A, Bifulco F (2014) Smart city governance for sustainability. In: Human and social sciences at the common conference, 17–21 Nov 2014. EDIS-Publishing Institution of the University of Zilina, Slovakia

ITU-T (2016): Shaping smarter and more sustainable cities: striving for sustainable development goals. Verfügbar unter http://www.itu.int/pub/T-TUT-SMARTCITY-2016-1 (Aufruf per 2017-03-15; erstellt 2016).

Manville C, Cochrane G, Cave J, Milliard J, Pederson JK, Thaarup R, Liebe A, Massink R, Kotterink B (2014) Mapping smart cities in the EU. http://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/etudes/join/2014/507480/IPOL-ITRE_ET(2014)507480_EN.pdf (Aufruf per 2017-01-18; erstellt 2014).

Walser, K., & Haller, S. (2016): Smart Governance in Smart Cities. In: Meier A., & Portmann E. (Eds.), Smart City: Strategie, Governance und Projekte, Springer Vieweg, pp. 19-46.

Creative Commons Licence

AUTHOR: Stephan Haller

Stephan Haller ist Professor am Institut Public Sector Transformation der BFH Wirtschaft und am BFH-Zentrum Digital Society. Er lehrt über Projektmanagement, IT-Sourcing und E-Government lehrt und forscht in den Bereichen Smart City, Open Data und Internet der Dinge.

AUTHOR: Konrad Walser

Professor für Wirtschaftsinformatik, Fachbereich Wirtschaft, Berner Fachhochschule

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