«Man muss sich vor Augen führen, dass jetzt schon die Wertschöpfung der IT in Wien vier Mal höher ist als die des Tourismus»

Ulrike Huemer, CIO der Stadt Wien, über die Digitale Agenda Wiens.

Was sind die Kernpunkte der Digitalen Agenda Wien?

Für die Digitale Agenda Wien wurden fünf Handlungsfelder entwickelt, die aufzeigen, welche Möglichkeiten sich durch die zunehmende Digitalisierung eröffnen. Die Handlungsfelder sind:

• Mit Sicherheit vernetzt
• Den Menschen Zeit schenken
• Stadt der digitalen Kompetenz
• I like IT – Digital City Wien
• Digitale Infrastruktur als Basis

Darüber hinaus kristallisierten sich im Zuge der Erstellung der Digitalen Agenda Wien neun Leitmotive heraus, die das Denken und Handeln aller Beteiligten leiten sollen. Sie wurden als die „Wiener Prinzipien“ in der Digitalen Agenda Wien verankert.

• Vertrauen und Sicherheit
• Transparenz, Offenheit und Beteiligung
• Inklusion, Solidarität und soziale Nachhaltigkeit
• Gendergerechtigkeit
• BürgerInnen-Orientierung
• Stärkung des Wirtschaftsstandorts
• Konsolidierung
• Innovation
• Flexibilität und Lernen

Wie kam es zur Digitalen Agenda Wien?

Anlass für die Entwicklung unserer Digitalen Agenda war die Notwendigkeit der Erneuerung der Wiener IKT-Strategie. Die Anforderungen an die IT der Stadt sollte aus unterschiedlichen Sichten dargestellt werden. Dabei war sowohl die Innen- wie auch die Aussensicht zu integrieren. Es sollte ein Bild vermittelt werden, in dem sich die Dienststellen der Stadtverwaltung, die Wiener IT-Wirtschaft, die Politik und die Wienerinnen und Wiener wiederfinden. Eine rasant wachsende Stadt wie Wien erfordert eine dynamische Strategie, deshalb die Prozess-Strategie. Die grundsätzlichen Ziele bei der Entwicklung der Digitalen Agenda Wien waren die Orientierung an unseren Kundinnen und Kunden, sowie die Einbindung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft, Expertinnen und Experten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Demnach war der Ansatz: Partizipativ, offen, transparent.


Ulrike Huemer

Mag. Ulrike Huemer Juristin und CIO der Stadt Wien. Nach Jahren als Assistentin für Staatsrecht an der Universität Linz betreute sie für den Österreichischen Städtebund die Verhandlungen im Österreich Konvent. Es folgten Jahre in der Finanzverwaltung der Stadt Wien, u.a mit den Themen Finanzausgleich, Öffentliches Haushaltswesen, Finanzierung öffentlicher Infrastruktur. Als Leiterin der Magistratsabteilung 6 – Rechnungs- und Abgabenwesen hat sie sich intensiv mit EGovernment und Verwaltungsmodernisierung beschäftigte und die SAP-Einführung innerhalb der Stadt Wien finalisierte. Seit März 2014 ist sie Leiterin der Gruppe Prozessmanagement und IKT-Strategie in der Magistratsdirektion der Stadt Wien und in dieser Funktion auch CIO der Stadt Wien.  In dieser Funktion setzt sie sich besonders dafür ein, dass die Digitalisierung als zentrales Thema für Wirtschaft, Gesellschaft und Verwaltung erkannt wird. Ferner dass verstärkt Frauen in der IKT beschäftigt werden. Dafür wurden zwei Initiativen die Digitale Agenda Wien (www.digitaleagenda.wien) und Digital City Wien (www.digitalcity.wien) ins Leben gerufen.


Was sind die wichtigsten Umsetzungsprojekte?

In jedem Handlungsfeld sind so genannte „Leuchtturmprojekte“ festgelegt, die in den nächsten fünf Jahren als richtungsweisende Projekte aufgesetzt werden bzw. an den bereits gearbeitet wird:

• Leuchtturmprojekt 1: Nachweis für sicheren und transparenten Umgang mit Daten
• Leuchtturmprojekt 2: BürgerInnenportal „Meiner Stadt stets nah“
• Leuchtturmprojekt 3: Stadt-Wien-App
• Leuchtturmprojekt 4: Einsatz von QR-Codes
• Leuchtturmprojekt 5: Smart Kids
• Leuchtturmprojekt 6: Digital City Wien
• Leuchtturmprojekt 7: Digitale Mobilität

Wie viel Wirtschaftswachstum und wie viel mehr Lebensqualität bringt die Digitale Agenda Wien?

Man muss sich vor Augen führen, dass jetzt schon die Wertschöpfung der IT in Wien vier Mal höher ist als die des Tourismus. Die IT-Wirtschaft schafft hochqualifizierte Arbeitsplätze mit Beschäftigten, die über eine sehr hohe Kaufkraft verfügen. Wien steht auch in einem starken Wettbewerb mit anderen Grossstädten. Ist die Lebensqualität hoch und wird der Wirtschaftsstandort gefördert, siedeln sich noch mehr IT-Unternehmen in Wien an. Schon heute hat die Digitalisierung sämtliche Lebensbereiche ausnahmslos erfasst: Weder die Stadtreinigung, die Energieversorgung, die Schulen, der Verkehr, die Gesundheitseinrichtungen, die Lebensmittelversorgung noch die allgemeine Verwaltung Wiens kommen ohne Informations- und Kommunikationstechnologie aus. Dieser Herausforderung stellt sich die Stadt Wien, indem sie mit der Digitalen Agenda Wien eine Strategie vorlegte, wie mit diesem besonderen Veränderungsprozess erfolgreich umgegangen werden kann.

Welches Vorhaben macht Ihnen das grösste Kopfzerbrechen?

Ich würde es nicht als Kopfzerbrechen bezeichnen, sondern vielmehr als die größte Herausforderung, nämlich der Schutz der Daten und Systeme vor immer massiver werdenden Angriffen, seien es Hacking oder DDOS Attacken um nur zwei Bedrohungen zu nennen. Wichtig ist daher ein sehr hohes Sicherheitsniveau zu schaffen. Dabei geht es um technologische Maßnahmen, die stets am neuesten Stand der Technik sein müssen und um die Awarness bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dass sie einen wesentlichen Beitrag zur IT Sicherheit leisten können.

Wie würden Sie einen Milliardär überzeugen, der Stadt eine Viertelmilliarde Euro für Digitalisierungsprojekte zu schenken? In welche Aktivitäten würden Sie die Viertelmilliarde investieren?

Eine Viertelmilliarde Euro würde ich in den Breitbandausbau Wiens investieren. Ultraschnelle Internetverbindungen bedeuten nicht nur mehr Lebensqualität für die Bürgerinnen und Bürger, sondern ist auch ein Standortfaktor für Wien. Abgesehen davon würde der Breitbandausbau in Wien sehr viele Arbeitsplätze schaffen. Wenn Wien in Bezug auf Innovation und Digitalisierung vorne bleiben will, müssen die unterstützenden Technologien mitwachsen. Wien braucht daher eine smarte Infrastruktur. Und smarte Infrastruktur im 21. Jahrhundert heißt: Netze, welche im Downstream und im Upstream die Datenmengen transportieren können, die auch benötigt werden. Viele Strategien im nationalen und internationalen Umfeld fokussieren auf 50 oder 100 MBit/s. Für mich ist das nur ein Anfangswert. Wien muss weiter denken, an die Gigabitgesellschaft, die Bandbreiten braucht, für die hochleistungsfähige Netze mit symmetrischen Bandbreiten jenseits der 100 MBit/s benötigt werden.

Wenn Sie in die Zukunft blicken, wie wird sich die Stadtverwaltung in den nächsten 25 Jahren verändern? Wie sollte sie sich verändern?

Wien wächst enorm rasant. Schon bald wird die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner die 2-Millionen-Grenze überschreiten. Hinzu kommen noch zahlreiche Pendlerinnen und Pendler, die in Wien arbeiten oder studieren. Das stellt für die Stadt eine große Herausforderung dar, die nur mit modernen Technologien bewerkstelligt werden kann. Die Digitalisierung ist hier eine ganz wichtige Hilfe. Man muss sich nur vorstellen, wie die vielen Menschen mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln täglich von A nach B kommen. Das geht nur, wenn die Digitalisierung für die Infrastruktur genutzt wird. Gleichzeitig soll aber auch die hohe Lebensqualität Wiens erhalten bleiben und verbessert werden. Das Ganze ist unter der Prämisse der sozialen Verantwortung zu organisieren. Wien lässt niemanden zurück! Wir stehen demnach vor großen Herausforderungen, oder besser gesagt, wir sind mitten drin, diese Herausforderungen anzunehmen und mit passenden Werkzeugen Lösungen zu entwickeln. Ein weiterer Aspekt ist die Einbindung der Bürgerinnen und Bürger in Entscheidungsprozesse der Stadt. Die Menschen in der Stadt möchten mitreden, mitdiskutieren und mitentscheiden, was in ihrer Stadt passiert. Mit dem Online-Partizipationsprozess zur Entwicklung der Digitalen Agenda Wien haben wir bereits wertvolle Erfahrungen gesammelt. Die Wienerinnen und Wiener brachten hunderte wertvolle Ideen ein und haben gemeinsam mit uns ein Programm für die digitale Zukunft der Stadt erstellt.

Interview: Reinhard Riedl, Herausgeber von SocietyByte

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