Design for Future System Fitness Dezember 2016

Projektmanagement ist eine anspruchsvolle Disziplin. Ich gehöre jener Generation an, die (noch) gelernt hat, dass Projektmanagement mit dem Identifizieren der Kardinalziele, der Nebenwirkungen und der Lebenszykluskosten beginnt und dass danach der erste Schritt im Erstellen des Risikomanagementplans besteht, gefolgt vom Erstellen des Qualitätsmanagementplans. Erst danach, so habe ich gelernt, wird der Ressourcenplan erstellt – und dieser darf nicht primär auf dem Ablaufplan beruhen, sondern muss in erster Linie empirische Erfahrungen mit ähnlichen Projekten berücksichtigen.

Poesie oder Präzision, das ist hier die Frage …
Good old times! Vorbei und vergessen, heute ist alles anders. Heute setzt man lieber auf eine Mischung aus Pragmatismus und Emergenz, das heisst auf eine die Imagination fördernde Unklarheit. Gerne Saint-Exupéry zitiert: „Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“

Das hat etwas Poetisches, ist für mich aber trotzdem schwer zu akzeptieren, denn ich wurde durch die Mathematik geprägt. In der lernt man zuerst Definitionen kennen und verstehen – was nicht ganz ohne sich zu schämen geht – und danach Definitionen zu erfinden. Das ist unlustig, aber nützlich. Ich erinnere mich noch daran, dass wir das Übelste über den Professor dachten, als wir zum ersten Mal als Übungsaufgabe eine Definition erfinden mussten (… auf so eine Idee kann nur ein Elite-Brite kommen!). Ich erinnere mich auch, was sich im Uni-Aufzug zum Mathematikinstitut hinauf so abspielte. Vereinfacht gesagt: Es war für das eigene Selbstwertgefühl besser, wenn man auf Fragen zu Definitionen kurze, klare und umfassende Antwort geben konnte. Irgendwann begriffen die besseren Studierenden: Man studiert nicht eigentlich, sondern wird erzogen und sozialisiert sich, bis man reif für die Gesellenprüfung (den Master) wird.

Das wirkliche Leben als andere Seite der Logik
Im Leben danach hat man es dann irgendwann mit Projektmanagement zu tun und erlebt … Schocks! Projektziele? Unklar, es gibt ja genügend Millionen. Risikomanagement? Generisch, man will das entweder nicht so genau wissen oder kann es nicht so genau sagen. Gescheiterte Projekte? In der IT zwei Arten von Zahlen: 40 – 80% (sagen Experten), 0% (sagen Chefs).

Gut, vielleicht nicht immer. Aber ich habe diverse Schlüsselerlebnisse gehabt, in denen die Vernunft Kopf stand – entweder weil Qualität wichtiger war als Überleben oder weil umgekehrt Dilettantismus als Pragmatismus gepriesen wurde. Ein Beispiel für Ersteres (Beispiele für Zweiteres sind sogar noch häufiger): Als ein Kollege im Kolloquium erzählte, wie sie ihre Firma vor dem Untergang gerettet hatten (und dabei ihre Kunden – und letztlich aus heutiger Sicht vermutlich die ganze Wirtschaft – vor einer Krise bewahrten), wurde er von den Spezialisten ausgelacht. Diese hätten in der realen Situation ohne Dokumentation, ohne Entwicklungswerkzeuge und ohne Entwickler für eine Rundumweiterentwicklung des Systems zuerst ein ordentliches Qualitätsmanagement eingeführt. Dass bei diesem Szenario dann schon alle Konkurs angemeldet hätten, war für sie als QM-Profis kein Thema. In der Mathematik nennt man solche Sichtweisen „die andere Seite der Logik“.

Beiträge in dieser Ausgabe – Vernunft hat immer eine Chance!
Mittlerweile sehe ich es gelassener. Projekterfolge und generell Managementerfolge sind selten karriererelevant. Also warum sich aufregen, wenn Menschen sich nicht darum kümmern? Ich freue mich aber trotzdem, dass wir an der BFH mit der Projektmanagementausbildung auch ökonomisch erfolgreich sind – die Nachfrage nach Hermes-Kurse ist gross! – und dass wir diesmal eine Ausgabe zum Thema Projektmanagement bringen.

Martin Sedlmayer liefert ein engagiertes Bekenntnis zum Job des professionellen Projektleiters (Projekte brauchen richtige Projektleiter). Ronald Hanisch beschreibt Zukunftstrends mittels zehn teils provokanten Thesen (Das Ende des Projektmanagements). Marc Hahn und Bogdan Lent erläutern die unterschiedlichen Qualitäten von Projektberatern und Projektleitern (Berater oder Projektleiter? Es kommt drauf an!). Ein besonderes Highlight ist das zweiteilige Interview mit Martin Kallen von der UEFA, der über seine Erfahrungen mit dem Organisieren wirklich (wirklich!) grosser Events spricht. Kuratiert wird die Ausgabe vom Schwerpunkt „Design for Future System Fitness“. Deshalb gibt es zum Abschluss einen Klassiker des Schwerpunktleiters Ernst Menet: Das beste Modell eines Huhns ist immer noch das Huhn selbst .

Viel Spass beim Lesen!
Herzlichst, Ihr Reinhard Riedl

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AUTHOR: Reinhard Riedl

Prof. Dr. Reinhard Riedl ist Dozent am Institut Digital Technology Management der BFH Wirtschaft. Er engagiert sich in vielen Organisationen und ist u.a. Vizepräsident des Schweizer E-Government Symposium sowie Mitglied des Steuerungsausschuss von TA-Swiss. Zudem ist er u.a. Vorstandsmitglied von eJustice.ch, Praevenire - Verein zur Optimierung der solidarischen Gesundheitsversorgung (Österreich) und All-acad.com.

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