E-Government November 2016

Landauf landab – also mindestens auf internationaler Ebene – wird vom transformativen beziehungsweise vom transformationellen E-Government gesprochen. Das heisst: Verändert soll sie werden, die öffentliche Verwaltung, und zwar recht kräftig. Mein natürlicher erster Gedanke dazu stammt von Goethe: „Die Botschaft hör‘ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“ Wenn ich es aber recht überlege, so meine ich, dass mit einer kleinen grammatikalischen Umstellung die Sache Hand und Fuss haben könnte: Verändern wird sie sich, die öffentliche Verwaltung!

Das Schweizer E-Government Symposium am 30. November setzt sich in diesem Kontext mit Open Innovation auseinander, unter anderem mit einer Keynote von Dirk Helbing zu „Open and responsible Innovation, important for the public sector“. Helbing vertritt (ich beziehe mich u.a. auf den Technology Outlook an der ETH am 30. September) eindrucksvoll die Vision einer neuen Gesellschaft, die sich selber organisiert und vor den Gefahren der Digitalisierung schützt. Dass solche Visionen an E-Government Veranstaltungen zu Wort kommen, ist erstens neu und zweitens allein schon ein Fortschritt. Es schafft Bewusstsein dafür, dass ein Weiterbestand etablierter Strukturen keine realistische Option ist und dass viele alten Ideale entsorgt werden müssen, beispielsweise jenes von einer klaren Trennung zwischen Staat, Wirtschaft und Gesellschaft.

Wir werden aber nur dann vorwärts kommen, wenn wir das Vorhandene nutzen. Dort wo die Verwaltung funktioniert, verkörpert sie sehr viel Information und besteht aus viel Wissen und Knowhow. Dies kann mit ein paar Bürgerideen kaum verbessert werden, weil solche Ideen von einer guten Verwaltung sowieso dauernd beobachtet und bei Nutzen internalisiert werden. Ein simples Ersetzen der Verwaltung durch Formen der gesellschaftlichen Selbstorganisation würde sogar einen grossen Rückschritt darstellen, weil Information in grossem Stil vernichtet würde, ohne dass klar ist, unter welchen Bedingungen diese Information in der Gesellschaft neu entstehen könnte.

Aber natürlich ist es richtig, dass sich Information, Wissen und Knowhow in der Verwaltung oft der Weiterentwicklung verweigern und von Natur aus zur Auflösung tendieren. Ersteres weil es in der menschlichen Natur und letzteres weil es in der Natur abgeschlossener Systeme liegt. Es gilt deshalb die Bedingungen so zu gestalten, dass im Gegenteil die, von der Verwaltung verkörperte, Information wächst und sich ihr Wissen und Knowhow weiterentwickeln. Technologie und Vernetzung werden dabei grosse Rollen spielen, aber es wird dabei NICHT darum gehen, vermeintliche Schwächen auszumerzen, sondern darum, die existierenden Stärken weiter zu stärken und sowohl intern als auch extern mit den Stärken anderer Akteure zu verbinden.

Zu dieser Ausgabe
Die Schweiz hat eine neue E-Government Strategie 2016 bis 2019. In dieser Ausgabe finden sie zwei Beiträge dazu. Anna Faoro von der Geschäftsstelle E-Government Schweiz schreibt über die Dienstleistungsorientierung (Ziel 1), ich selber schreibe über die Nachhaltigkeit (Ziel 4). Daneben präsentieren wir zwei Schlüsselprojekte des Schweizer E-Government, ein bereits sehr etabliertes und ein äusserst innovatives. Oliver Koller schreibt über das Projekt Unternehmensidentifikationsnummer, kurz UID, und Nadia Zürcher schreibt über das Linked Data Projekt LINDAS. Ausserdem präsentieren wir einen Beitrag von Fabian Reinhard zu Open Source in der E-Government Praxis und zwei Beiträge aus der Unterrichtspraxis: Stefan Grolimund, Student an der BFH und Wirtschaftsinformatiker beim Kanton Solothurn fasst seine Masterarbeit zusammen und Andreas Spichiger, Leiter des E-Government-Instituts, berichtet über ein grosses Studierendenprojekt. Den Abschluss bildet ein Beitrag von mir zum Thema Transformatives E-Government. Die Beiträge erscheinen im Laufe des Monats November.

Geplant sind überdies kurze Berichte zum eGov Fokus „Linked Data in der Praxis“ (28. Oktober im Berner Rathaus) und zur 13. Tagung Informatik und Recht zur Digitalisierung der Justiz (2. November im Berner Rathaus). Den eGov Fokus veranstalten wir selber in Zusammenarbeit mit der ETH-Bibliothek, der Schweizer Informatik Gesellschaft, eCH, dem Schweizer Staatsekretariat für Wirtschaft und dem Schweizer Bundesarchiv. Bei der von eJustice.ch ausgerichteten Tagung Informatik und Recht sind wir zusammen mit dem Bundesamt für Justiz und der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) Mitveranstalter.

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AUTHOR: Reinhard Riedl

Prof. Dr. Reinhard Riedl ist Dozent am Institut Digital Technology Management der BFH Wirtschaft. Er engagiert sich in vielen Organisationen und ist u.a. Vizepräsident des Schweizer E-Government Symposium sowie Mitglied des Steuerungsausschuss von TA-Swiss. Zudem ist er u.a. Vorstandsmitglied von eJustice.ch, Praevenire - Verein zur Optimierung der solidarischen Gesundheitsversorgung (Österreich) und All-acad.com.

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1 Antwort
  1. Marc Schaffroth
    Marc Schaffroth sagte:

    Das Rahmenkonzept „Vernetzte Verwaltung Schweiz“ des Vereins eCH (www.ech.ch) enthält ein Leitbild zur Verwaltungsmodernisierung in der föderalen Schweiz und beschreibt Gestaltungsoptionen zur ebenenübergreifenden Vernetzung von Leistungen und Prozessen sowie von Vertriebs- und Produktionsstrukturen.

    Der Link (-> website) verweist auf die Übersicht der eCH-Standards und -Hilfsmittel zur Verwaltungsmodernisierung und zum Prozessmanagement (Link: E-Government-Prozessplattform Schweiz eCH-BPM, siehe „Grundlagen und Hilfsmittel“).

    Antworten

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